Starkes „Polstermöbel“ aus Holz
Er ist ein moderner Charmeur: Der neue D7 von Tecta. In ihm steckt auch ein Stück Österreich. Bregenzerwald, genauer gesagt. Genießt Vorarlberg in der Architektur internationalen Ruf, ist hier die Neue Vorarlberger Bauschule beheimatet, die der zeitgenössischen Alpenarchitektur ihr Gesicht verlieh – und ein Nukleus ihrer Entstehungsgeschichte ist der Bregenzerwald. Hier gründeten versierte Handwerksmeister den Werkraum Bregenzerwald. Mit dabei Martin Bereuter, Architekt und Tischler, der nun für Tecta die neuen Stühle D7 und D7K von Klemens Grund in seiner Tischlerei herstellt. Ein Stuhl, der filigran aussieht, aber die Benutzer ungewöhnlich komfortabel aufnimmt. Ein echtes Charakterstück, gewissermaßen ein „Polstermöbel“ aus Holz, ist er geprägt von seinem Spannungsverhältnis zwischen traditionsreichem Handwerk und zeitgenössischer Gestaltung. Martin Bereuter verrät mehr – über das schicke Meisterstück und den Werkraum Bregenzerwald.
Wenn man den filigranen Stuhl D7 sieht, kann man sich vorstellen, dass es nicht leicht ist, ihn zu bauen.
Das Besondere ist, dass wir Massivholz in sehr minimierten Querschnitten einsetzen. Eine dichte und gute Qualität des Holzes ist wichtig, damit diese minimalen Querschnitte auch funktionieren. Das Weitere: alle Verbindungen sind mit Zapfen gefertigt, das heißt, es sind keine industriellen Dübel-Verbindungen vorhanden. So kann der Faserverlauf des Holzes optimal für die Verbindung genutzt werden.
Was ist für Sie das Überraschende des Stuhles?
Von der Funktion ist das Klappbare sicher ein überraschendes Moment. Wenn man in dem Stuhl gesessen hat, gibt es für mich noch ein weiteres Merkmal und das ist die Art wie der Stuhl einen aufnimmt. Das Möbel ist von der Erscheinung sehr minimiert und man stellt sich die Frage – ist die Sitzfläche eigentlich tief genug? Sitzt man in dem Stuhl, wird man jedoch gefasst wie in einem Polstermöbel. Das ist für mich der spannendste Moment. Zugleich hat dieser Stuhl viel mit Bewegung zu tun. Die minimierten Querschnitte aus Laubholz funktionieren wie Federn. Sie beeinflussen den Sitzkomfort. Wie bei einem Sportgerät, bei dem sich die Bewegung mit der Funktion einstellt.
„Das Möbel ist von der Erscheinung sehr minimiert und man stellt sich die Frage – ist die Sitzfläche eigentlich tief genug? Sitzt man in dem Stuhl, wird man jedoch gefasst wie in einem Polstermöbel. Das ist für mich der spannendste Moment.“
Welche Rolle spielt das Umfeld, der Bregenzerwald, für die Fertigung des Stuhles?
Im Bregenzerwald haben wir in einem sehr überschaubaren Radius, viele Handwerksbetriebe versammelt, nicht nur Tischler, sondern auch Schlosser, Polsterer, Zimmerleute, Maurer. Menschen, mit denen man „einfach/komplexe“ Dinge entwickeln kann. Wir wären alleine nicht im Stande, solche Klappmechanismen zu entwickeln und herzustellen, dazu braucht es beispielsweise einen Schlosser. Im Falle der Stühle D7 und D7K arbeiten wir mit einem Zerspannungstechniker aus dem Nachbarort zusammen.
Woran liegt es, dass noch so viele Handwerksbetriebe im Bregenzerwald ansässig sind? Ist das historisch begründet?
Es ist eine Talschaft mit 30.000 Einwohnern, die sich ein stolzes Berufsbild zurechtgelegt hat. Die Größe ist wichtig, weil man immer eine Anzahl von Menschen braucht, die gleichgesinnt sind. Wir haben über lange Zeit die Kleingliedrigkeit unserer Betriebe erhalten und vor 19 Jahren den Werkraum gegründet. Der Werkraum ist ein Zusammenschluss von Handwerksbetrieben aus dem Bregenzerwald, der zum Ziel hat, ein zeitgemäßes Handwerk zu fördern, das als Lebensgrundlage dienen kann.
„Der Werkraum ist eine Institution des Austausches.“
Was darf man sich unter dem Werkraum vorstellen und welchen Stellenwert besitzt er?
Der Werkraum ist eine Institution des Austausches. Zu Kunden, Kollegen, zur Bevölkerung der Region, zur Jugend, an die wir unsere Berufserfahrung weitergeben möchten. Aber ebenso auch zu Gästen, die im Bregenzerwald ihren Urlaub verbringen. Eng mit der Geschichtet des Werkraums ist der Wettbewerb Handwerk und Form verbunden. Hier werden Gestalter eingeladen, die in Zusammenarbeit mit Handwerkern aus der Region ein Produkt herstellen. Diese Stücke werden später in einer Ausstellung über zwei Wochenenden in historischen Gebäuden im Bregenzerwald gezeigt. Gewünscht ist, dass die Gestalter dabei von außen kommen. Die Verbindung zwischen Region, Landschaft, Kultur und den Objekten wird während der Ausstellung sichtbar. Aus dieser Schau entstand bei den Werkraum-Betreibern auch der Wunsch, sich künftig in einem eigenen Gebäude zu verorten. Da wir Peter Zumthor kannten, auch vom Bau des Kunsthauses in Bregenz, entstand unser Werkraumhaus aus Zumthors Hand. Klemens Grund arbeitete damals bei Zumthor und so entwickelte sich unsere Zusammenarbeit mit dem Stuhl und wir reichten ihn gemeinsam zum Wettbewerb im Jahr 2012 ein.
Der Bregenzerwald ist ein Ort der kulturellen Entwicklung von Bauen und Wohnen. Woran liegt das?
Ich kann auf ein paar Faktoren, die mir hierfür wichtig erscheinen. Es besitzt eine große Qualität, am selben Ort Leben und Arbeiten zu können. Das animiert inzwischen auch den Nachwuchs, die Betriebe der Eltern zu übernehmen. Ein weiterer Grund ist, dass man das Leben als selbständiger Handwerker hier mit einem gewissen Maß an Freiheit gestalten kann.
Ein weiterer ist sicherlich ein Bewusstsein für die Landschaft in welcher wie leben, somit auch das Erkennen von Kulturlandschaft und mit ihr verbunden die Wertschätzung für regionale Lebensmittel. Leben, wo andere Urlaub machen.
Heute ist der Bregenzerwald nicht nur für Handwerk, sondern auch für zeitgemäße Architektur bekannt, warum?
Der Bregenzerwald zeigt, dass Architektur nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land „passieren“ kann. Es hat aber auch politische Gründe. In jedem Dorf gibt es einen Bürgermeister, der die Freiheit hat, gemeinsam mit Architekten seine Gemeinde zu gestalten. Das sind Verbünde, in denen sich das Handwerk entwickeln kann. Es macht Sinn, dass der Architekt entwirft und der Entwurf von den lokalen Handwerkern umgesetzt wird. So entstanden Gebäude aus traditionsbewusstem Handwerk und zeitgenössischer Architektur.
„Wie Tecta heute versucht, Metall, Polsterungen und Geflecht in eine neue Zeit zu bringen – das finde ich extrem spannend.“
Diese enge Verbundenheit zwischen Handwerk und Gestaltung erinnert an die Idee, die Walter Gropius einst für das Bauhaus formulierte. Ist das ein Zufall – oder gibt es eine Seelenverwandtschaft zum Bauhaus?
Ich stelle mir die Seelenverwandtschaft sehr wohl vor. Aber unsere Bewegung ist keine Akademische. Das ist der größte Unterschied. Ich glaube, dass viele Handwerker aus dem Bregenzerwald mit den Ideen des Bauhauses gut leben können. Sie betrachten ihr Tun jedoch nicht von einer theoretischen, sondern sehr alltagspraktischen und materialbezogenen Seite. Aber in der Tat werden wir sehr oft mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht.
Sehen Sie eine Beziehung zwischen Ihrer Arbeit und der Haltung von Tecta?
Auf jeden Fall. Tecta ist ein Hersteller, der mit der Realisierung und der Verantwortung für Material sehr vertraut ist. Zugleich imponiert mir das bewusste Leben mit Architektur, das dazu führte, dass die Architekten Alison und Peter Smithsons mit dem Entwurf des Firmengeländes auch Teil der Unternehmensgeschichte geworden sind. Wie Tecta heute versucht, Metall, Polsterungen und Geflecht in eine neue Zeit zu bringen – das finde ich extrem spannend. Es ist daher eine Ehre, sich mit Bauhaus-Klassikern in einer Reihe zu sehen und es bereichert unsere Arbeit sehr. Denn es demonstriert, wie fruchtbar die Kooperationen von Gestaltern und Handwerkern sein kann.
Zu Martin Bereuter
Tischler und Architekt, arbeitete sechs Jahre in einem Architekturbüro, übernahm die Tischlerei seines Vaters, führt heute einen Betrieb von zehn Leuten, der sich durch seine spezialisierte Fertigung als Atelier versteht. Hier werden Einrichtungen, Möbel, Kunstobjekte als auch Ausstellungen betreut. Seit zehn Jahren ist Martin Bereuter Vorstand des Werkraums, seit drei Jahren auch dortiger Obmann.
Quelle: Tecta
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