Minimalistisch – aber keineswegs simpel
Der italienische Designer Giuseppe Bavuso hat für zahlreiche namhafte Marken gearbeitet. Bekannt ist er aber vor allem als der kreative Kopf hinter Rimadesio, dem Hersteller, der als Erster Schiebetüren und Trennwände zu eigenen Designobjekten machte. Bavusos Entwürfe glänzen ebenso sehr durch ihren ästhetischen Minimalismus wie durch technische Ausgefeiltheit.
Von Harald Sager
Sie sind Designer, aber Ihre Arbeit scheint über das bloße Entwerfen hinauszugehen …
Wenn ich vom Designen absehe, würde ich meine Tätigkeit als Art Direction bezeichnen: Ich bin mit den Firmen, mit denen ich zusammenarbeite, in einem engem Kontakt, der weit über das bloße Produktdesign hinausgeht. Dazu gehören Dinge wie die Entwicklung von Strategien, die Identifizierung von Marktzielen, das Entwerfen von Produktlinien und schließlich Ideen zu deren Vermarktung.
Die Zusammenarbeit erstreckt sich letztlich auf die Erarbeitung von ganzen „Home Concept“-Kollektionen, wobei ich das Corporate Design des jeweiligen Herstellers immer mit berücksichtige. Ich stehe in langjährigen Beziehungen mit meinen Auftraggebern. Meiner Überzeugung nach liegt der Kern jedes Unternehmens in den dauerhaften Beziehungen, die es pflegt, und in seiner Zukunftsstrategie. – Zusammenfassend gesagt, bin ich zwar Designer, aber das ist nur eine meiner Aktivitäten unter mehreren.
Wie würden Sie Ihren designerischen Stil, Ihre ,,Signatur” beschreiben?
Ich suche eine ästhetisch möglichst ,,elementare” Herangehensweise an Produkte. Ich versuche, minimalistisch, klar und präzise zu entwerfen. Das Wort ,,minimalistisch” bezieht sich hier auf die saubere Ästhetik meiner Entwürfe, denn tatsächlich sind sie ganz im Gegenteil außerordentlich komplex. Das erkennt man an Details, an ausgeklügelten technischen Lösungen und an laufenden Verbesserungen bestehender Linien. Ich würde so sagen: Minimalistisch – aber keineswegs simpel.
Meine Produkte haben keine Merkmale, keine “Signatur”, an denen man sofort erkennen würde, dass sie von mir sind. Ihre Besonderheit liegt, wie erwähnt, in ihrer technischen Ausgefeiltheit und in ihrer minimalistischen Ästhetik in dem Sinne, dass nichts Überflüssiges darin Platz hat.
„Ich suche eine ästhetisch möglichst ,elementare’ Herangehensweise an Produkte.“
Wie entwerfen Sie: mit dem Bleistift oder am Bildschirm?
Ich bin schon seit dreißig Jahren in diesem Beruf, das heißt, ich habe, genau wie alle anderen, früher am Zeichentisch gearbeitet. Seit es die neuen Technologien gibt, arbeite ich damit, sprich, mit 3D-Modellierung, Prototyping und Stereolithographie.
Ist der italienische Hersteller Rimadesio Ihr größter Kunde? Wie ist Ihr Verhältnis zu Davide Malberti, Rimadesios Vorstandsvorsitzenden?
Wie bereits erwähnt, sehe ich es als Teil meiner Aufgabe an, an Unternehmensstrategien mitzuwirken, und im Falle von Rimadesio war ich sogar von Anfang an mit dabei. Ich kenne Davide seit 30 Jahren, und wir haben uns immer über die Vorhaben und Ziele des Unternehmens – und wie wir dahin gelangen wollten – ausgetauscht. Die Kollektionen von heute gehen auf viele Jahre Aufbauarbeit zurück, wobei ich nicht nur designerisch, sondern auch von der technischen Seite her mitgearbeitet habe.
Rimadesio ist mein Kunde Nr. 1, keine Frage, und ich arbeite sehr eng mit Davide zusammen, mit dem ich seit vielen Jahren die gleichen Vorstellungen über die Unternehmensziele teile.
„Ich sehe es als Teil meiner Aufgabe an, an Unternehmensstrategien mitzuwirken, und im Falle von Rimadesio war ich sogar von Anfang an mit dabei.“
Wie hat Ihre Zusammenarbeit mit Rimadesio begonnen? Ist der Stil von Rimadesio durch Sie geformt worden?
Davide Malberti und ich sind uns vor 30 Jahren zum ersten Mal begegnet. Wir waren beide jung und wollten ein neues, innovatives Wohnungseinrichtungskonzept auf die Beine stellen, unter Einsatz von Technologien, die es noch gar nicht gab, und von ungewöhnlichen Materialien – die mir damals aber bereits bekannt waren. Und so begannen wir, Schiebetür-Systeme herzustellen.
Wir wollten der Firma, die von Davides Vater Francesco im Jahr 1956 gegründet worden war, eine neue Identität geben. Das ist uns auch gelungen, denn heute kennt jeder den spezifischen Rimadesio-Stil: Produkte, die Minimalismus mit Technologie kombinieren und ausgefeilte Funktionen und Details haben.
Ich bin der kreative Kopf von Rimadesio, daher spiegeln die Produkte des Hauses meine Vorstellungen von Design wider. Im Falle von Rimadesio gibt es so etwas wie Produktbriefings nicht: Ich bin auch nie von Davide Malberti beauftragt worden, dieses oder jenes neue Produkt zu entwerfen.
Ihr erstes bekanntes Trennwand-System für Rimadesio war Siparium in den frühen neunziger Jahren. Was war so neu daran?
Wir waren die Ersten, die die Trennwand zu einem eigenen Designobjekt machten. Bis dahin war sie nichts weiter als eine Ansammlung von Paneelen, die eventuell mit hübsch designten Türgriffen ausgestattet waren.
Wir gingen über dieses Konzept hinaus, indem wir die Trennwand zu einem Kombinations- und Verbindungselement im Wohnraum machten. Für die Strukturen verwendeten wir die Folientechnologie, dadurch konnten wir Türen realisieren, die sowohl robust als auch leicht waren. Die Trennwände wiederum waren aus Glas, sodass das Licht zum vorherrschenden Element im Wohnraum wurde. Dadurch betonten wir zugleich den verbindenden – und eben nicht trennenden – Charakter der Trennwände.
Dieses Konzept, die Tür sozusagen neu zu erfinden, begründete den Erfolg von Rimadesio.
Die Rimadesio-Trennwände werden einerseits industriell hergestellt, können aber andererseits für den Kunden sozusagen maßgeschneidert angefertigt werden. Normalerweise ist das die Kompetenz eines Handwerkers, nicht eines Industriebetriebs – doch Rimadesio hat diese Flexibilität.
„Wir waren die Ersten, die die Trennwand zu einem eigenen Designobjekt machten.“
Sie arbeiten aber bei Weitem nicht nur für Rimadesio, sondern für zahlreiche weitere namhafte Hersteller wie Alivar, Bross Italy, Caleido, Erco, Ernestomeda, Fima, Inalco, Minotti, Koinor und Poliform. Und sie lassen sich, wie man sieht, auch nicht auf bestimmte Themen festlegen, denn Sie designen Sofas und Stühle für Alivar, Fenster für Erco, Stauraumsysteme für Poliform usw.
Es stimmt, dass ich nicht ausschließlich mit und für Rimadesio arbeite, sondern auch für andere Marken. Ich bin seit dreißig Jahren selbständiger Designer und arbeite auf den unterschiedlichsten Gebieten. Natürlich, Trennwände und Umkleideräume, das ist Rimadesio. Ernestomedameda sind Küchen, meine Herangehensweise – Erarbeitung eines Konzepts, Aufmerksamkeit für Details – ist aber die gleiche wie bei Rimadesio. Ich würde sagen, das ist Giuseppe Bavusos Designphilosophie!
Wofür sind Sie am meisten bekannt?
Am ehesten wird mein Name mit den Trennwänden von Rimadesio in Verbindung gebracht, da diese Beziehung ja schon so lange besteht. Sowie mit den Küchen von Ernestomeda, wo ich – wie für Rimadesio – ebenfalls Art Director bin und mich auch um Dinge wie die Gestaltung von Ausstellungsständen und Schauräumen kümmere.
Die „Icon“-Linie von Ernestomeda, die im Jahr 2012 in den Handel kam, war und ist ein internationaler Erfolg: eine sehr technisch orientierte Küche, die übrigens acht Küchenzertifizierungen erhalten hat. Das Design ist einfach und essentiell, denn der Hauptfokus liegt auf der Technik. Wir haben dabei auch einige Funktionen neu beleuchtet. So sind die oberen Küchenladen als Monoblock angeordnet. Die unteren Fächer dieser Laden werden durch eine Tür geöffnet, die nach oben geschoben wird. In diesen Fächern werden die Dinge des täglichen Gebrauchs verstaut. Schiebt man weiter, um zu den oberen Fächern zu gelangen, so klappt die Tür nach außen. Wir haben dieses neuartige Verfahren patentieren lassen.
Ich glaube, dass meine Arbeit weltweit anerkannt ist. Natürlich sind darunter bessere und weniger gute Entwürfe, einige werden besser vermarktet und beworben als andere. Und manchmal ist das Meisterwerk weder das interessanteste noch das bedeutendste – da geht es mir nicht anders als anderen Kreativen.
Woran haben Sie zuletzt gearbeitet?
Meine jüngsten Produkte sind die Linien Alambra und Cover für Rimadesio – beides große Erfolge!
Zu Giuseppe Bavuso
Der 1959 geborene Giuseppe Bavuso ist studierter Architekt und Designer und lebt in der Nähe von Mailand. Seit 1986 betreibt Bavuso sein eigenes Designstudio und arbeitet für namhafte Hersteller. Mit Rimadesio, dem Hersteller von Trennwänden, Schiebetüren, Vitrinen und Schränken, verbindet ihn eine dreißigjährige Zusammenarbeit. Er ist dort nicht nur der Hausdesigner, sondern auch Art Director und kümmert sich auch um Dinge wie die Gestaltung von Ausstellungsständen und Schauräumen. In gleicher Funktion ist Bavuso auch für die Küchenmarke Ernestomeda tätig. Giuseppe Bavusos Stil ist designerisch pur und essentiell und von der Technik her ausgefeilt.
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