Liaison von Holz, Design und Architektur
Größer, besser, schöner präsentiert das Forcher-Headquarter. Das besondere Gestaltunsgskonzept von Nina Mair beeindruckt – und geht voll auf.
Die Osttiroler Bergkulisse ist der eindrucksvolle Rahmen der Gabriel Forcher Tischlerei GmbH. Bekannt für hochqualitativen Möbel wie die prämierte Möbelreihe „Sophie“, zeigte das in dritter Generation geführte Familienunternehmen nicht nur vor kurzem auf der erfolgreichen möbel austria und küchenwohntrends 2019 in Salzburg auf, sondern lässt zudem mit einem weiteren Schatz aufhorchen, der allerdings nicht auf vier Beinen ins Rampenlicht tritt und in Lienz zuhause ist.
Das Firmengebäude, das aus der anfänglich 100 Quadratmeter großen Werkstatt ebenso kontinuierlich wie das 1928 von Gabriel Forcher gegründete Unternehmen selbst gewachsen ist, mit seinen mehr als 7.000 Quadratmetern Produktionsfläche hat ein einzigartiges Makeover erfahren, das sich mehr als nur sehen lassen kann.
Innovation, Unterstatement und Detailverliebtheit
Mit der jüngsten Erweiterung beauftragte das aktuell 95 Mitarbeiter zählende mittelständische Unternehmen mit nationalem und internationalem Renommee erstmals ein Architekturbüro. Mit Nina Mair entwickelte und realisierte eine Größe der heimischen Szene, die schon mehrfach für Forcher außergewöhnliche Möbel wie Shell kreierte und soeben für die von ihr gestaltete Airport Lounge am Flughafen Innsbruck mit dem Austrian Interior Design Award 2019 geadelt wurde, ein spannendes Konzept, das alles unter einem Architektur- und Designdach vereint und Brücken schlägt.
Denn um die Marke Forcher zu stärken, sollten einerseits die Produktions- und Büroflächen erweitert und andererseits der gewachsenen Struktur ein einheitliches Aussehen verliehen werden. Ein doppelter Blick, vereint in einem einzigen Architekturprojekt für die Tischlerei, die mitten in der Bergwelt Möbel mit Liebe zum Detail und hoher handwerklicher Qualität produziert werden.
„Sowohl das Gebäude als auch die darin hergestellten Möbel erhalten ihre Qualität aus dem Zusammenspiel von Materialien, sorgfältigen Details und ihrer Beständigkeit.“
Zeichnen Forcher zwei essentielle Qualitäten – das jahrhundertealte Wissen des traditionellen Tischlerhandwerks sowie einen umfangreichen Maschinenpark mit modernster CNC-Technologie – aus, verfolgte passend dazu auch die Entwurfsphilosophie der Architektinnen Innovation mit Understatement und liebevoll gestaltete Details.
In enger Abstimmung mit den Bauherren wurde der Zu- und Umbau entworfen und während dem laufenden Betrieb realisiert. Von dem südlich gelegenen Bestandsgebäude wurde das Dach und das Mauerwerk des Obergeschosses abgetragen und mit dem Neubau an der Ostseite ergänzt. Ein asymmetrisches Satteldach spannt sich stützenfrei über den gesamten Bürobereich, der in Holzbauweise errichtet wurde. Die vorgehängte und verputze Fassade umhüllt fugenfrei Bestand und Neubau und verleiht der Firma ihr neues Erscheinungsbild. Die feine Besenstrichstruktur des Putzes gibt der Oberfläche des Baukörpers Dreidimensionalität und bildet einen subtilen Verweis auf das Handwerk.
Durch ein lichtdurchflutetes, mehrgeschossiges Foyer, das sich zur südlich gelegenen Straße als Ausstellungsfläche der Möbel präsentiert, wird das Gebäude betreten. Weiße Wände, weiß-grauer Terrazzoboden und eine Akustikdecke aus Weißtanne sorgen für ein klares Ambiente, das auf unterschiedlichste Arten bespielt werden kann. Darüber hinaus bietet das Foyer besondere Aus- und Einblicke: So eröffnet es den einen direkten Blick in die Werkhallen, ein voll verglaster Innenhof wurde als zentrales Element zwischen das Bestandsgebäude, die neue Werkhalle und das Foyer platziert, schafft Sichtachsen zwischen Produktion, Büros und Schauraum und dient zugleich als Treffpunkt für die Mitarbeiter. Kunstvoll wurden Raum und Struktur miteinander verwoben und der inmitten des Innenhofs gepflanzte Ahornbaum spendet nicht nur in den heißen Monaten Schatten, sondern symbolisiert außerdem das Material der Wahl der Tischlerei, aus dem mit kreativem Geist einzigartige Möbel entstehen.
“ Jedes Material kommt dort zum Einsatz, wo es seine Stärken ausspielen kann.“
Das Entwurfskonzept konzentriert sich auf die Bedürfnisse des Menschen und stellt sie in den Vordergrund. Sowohl von der Werkstatt als auch von jedem Büroarbeitsplatz aus, gibt die Architektur durch große Fensteröffnungen Blicke in die Umgebung und auf die spektakulären Bergmassive der Dolomiten frei. Die Büros im Obergeschoß sind auf zwei Niveaus aufgeteilt, die von einem Satteldach über die gesamte Gebäudebreite von 30 Metern stützenfrei überspannt werden. Tageslicht wird über einen großzügigen verglasten Dacheinschnitt in das Gebäudeinnere geleitet und erhellt über beide Geschosse den Treppenaufgang bis in das Foyer. Zentral im Raum befindet sich die Küche und der Aufenthaltsbereich, der sowohl den Mitarbeitern als auch dem Empfang von Gästen dient. Zentrum dieses Ortes des Austausches bildet ein vier Meter langer Massivholztisch. Um diese gemeinschaftliche Kernzone herum sind die Einzel- beziehungsweise Gruppenbüros entlang der Fassade angeordnet.
Der gesamte Innenausbau wurde so konzipiert, dass die Tischlerei alle Möbel und Trennwände selbst herstellen und errichten konnte und so zeigt sich Forchers Passion und Profession überall und in all ihrem Facettenreichtum. Statt Wänden wurden Schrankmöbel in zwei unterschiedlichen Höhen entwickelt, die Raumabschlüsse zur Decke sind verglast, sodass ungestörtes Arbeiten bei maximaler Transparenz ermöglicht wird. Die Besonderheit in diesem Geschoss ist, dass von jedem Punkt aus sowohl in die großzügige Dachfläche als auch bis an das andere Ende des Raumes erblickt werden kann, zudem fördert die gestalterische Klarheit die Verständlichkeit des Raumes.
Neben der Innovationsfreude und dem großzügigen Umgang mit Raum wurde bei der Planung auf die funktionalen Abläufe größtes Augenmerk gelegt. Diese Haltung spiegelt die Firmenphilosophie der Firma Forcher wieder und verbindet beide Maßstabsebenen. Denn sowohl das Gebäude als auch die darin hergestellten Möbel erhalten ihre Qualität aus dem Zusammenspiel von Materialien, sorgfältigen Details und ihrer Beständigkeit. Jedes Material kommt dort zum Einsatz, wo es seine Stärken ausspielen kann. Mit Know-how und Gespür gehen Architektur und Design Hand in Hand. So überwindet die primäre Tragstruktur aus Leimbindern Spannweiten bis zu 30 Metern stützenfrei, die Brandabschnittswand zwischen Büro und Fertigungshalle ist in Stahlbeton ausgeführt, während alle Außenwände des Bürobauteils aus schichtverleimten Massivholzelementen konstruiert sind,und sich in der Produktionshalle ein klares, auf die funktionelle Anforderung zugeschnittenes Tragwerk findet, das dem Stützenraster der Bestandshalle folgt.
Gemacht für die Zukunft
Alle Aspekte der Effizienz wurden bei der Planung berücksichtigt, sei es hinsichtlich der Abläufe im Gebäude als auch den Energiebedarf im laufenden Betrieb. Die Fertigung wurde Um insgesamt 1.200 Quadratmeter wurde die Fertigung, um satte 800 Quadratmeter das Bürogebäude erweitert, der Neubau nahtlos in den Bestand eingefügt und die Grenzen innerhalb aufgelöst. So entstand eine schwellenfreie Verbindung der Arbeitsräume und die Minimierung der Außenflächen.
Und das kreative Tischlerei-Architektur-Duett geht noch einen Schritt weiter. Immerhin ist das Gebäude so konzipiert, dass es energieautark funktionieren kann. Aktuell wird mit den zerspanten Holzabfällen aus der Produktion so viel Energie erzeugt, dass nicht nur das eigene Firmengebäude geheizt werden kann, sondern auch ein benachbartes Unternehmen Fernwärme von der Tischlerei bezieht. Die Konzeption des Tragwerks des neuen Hallendachs erlaubt zudem die Installation einer Photovoltaikanlage. So sind mit diesem Architekturprojekt nicht nur außergewöhnliche Arbeitsräume entstanden, vielmehr wurde auch der Grundstein für die nächste Generation bei Forcher gelegt.
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