Neu inszenierte „Bühnenschätze“
Brettern, die einst die Theaterwelt bedeuteten, haucht DI Ulrike Nachbargauer neues Leben ein. Aus dem historischen Bühnenboden und ausrangierten Bühnenbildern des Wiener Burgtheaters gestaltet die Innenarchitektin mit Theaterleidenschaft „Bühnenschätze“: „Protogonisten“, „Antagonisten“ und unikate Möbel mit Geschichte und eigener Patina.
Von Sylvia Pilar
Auf der blickfang Wien haben Sie Ihre Tischkollektion präsentiert. Von der Innenarchitektur zu den „Protagonisten“ – wie kam es dazu?
Ich habe während meines Studiums und eine Zeit lang danach am Theater als Bühnenbildnerin gearbeitet und dort eine tolle Zeit verbracht. Als Erinnerung an meine Produktionen hab ich Muster von Bühnenteile aufgehoben und in meiner Wohnung aufgestellt. Nach Jahren kam ich dann mit einem Projekt zu einer Theater-affinen Kundin die von der Idee begeistert war, ein Stück Theater in die Gestaltung einzubinden. Ich habe an der „Burg“ angerufen und angefragt, ob ich etwas „Abgespieltes“ haben könnte, um es in einem Wohnzimmer zu integrieren. So hat es begonnen. Irgendwann wurde ich dann angerufen und gefragt, ob ich nicht noch Platz für einen Bühnenboden in meinen Projekten hätte. Den habe ich dann gekauft, er lag zunächst zwei Jahre im Keller und im letzten Jahr hat sich die Idee entwickelt, Tische mit diesem Bühnenboden zu gestalten.
Wieso gerade Tische?
Einerseits, weil die Holzbretter mit ihrer Qualität und Stärke gut als Tischplatte geeignet sind, andererseits war es der kulturelle Ansatz, dass mit und auf einem Tisch Geschichte erzählt wird. Aus dem Material sollte ein Möbelstück entstehen, das solitär ist, überall stehen und hingebracht werden kann. Daher waren Tische naheliegend.
Aus einem Unikat wurde eine Reihe an „Protagonisten“. Wie viele sind es?
Der „Protagonist“ wurde letztes Jahr versteigert und damit wurde die Idee transportiert, die auf und mit diesen Tischen serviert werden: Dass Bühnenteile wieder-verwertet und eingesetzt werden können. Jetzt gibt es zehn Protagonisten, die alle einen Namen haben, der einem Protagonisten einer berühmten Inszenierung zugeordnet ist und innerhalb der 56 Jahre am Burgtheater – auf diesem Boden – gespielt worden sind.
Welche zum Beispiel?
Die Tische haben alle eine Nummerierung und ein Zitat eingraviert. Tisch Nr. 1 ist zum Beispiel „Don Carlos“, der an die Inszenierung von 1955 mit Oskar Werner in der Hauptrolle erinnert und das Zitat „Oh, der Einfall war kindisch, aber göttlich schön“ trägt. So verweist jeder Tisch auf die großartigen Darsteller des Burgtheaters, die damals auf den Brettern gestanden sind. Es gibt aber auch Bezüge zum Heute. Zum Beispiel ist der neunte Tisch „Medea“ gewidmet, die 2004 von Birgit Minichmayr gespielt wurde, und der zehnte Tisch, „Faust“, erinnert an die Aufführung mit Tobias Moretti im Jahr 2009. Der versteigerte „Protagonist“ hat übrigens auf „Ottokars Glück und Ende“ verwiesen, das erste Stück nach Wiederaufnahme der Spieltätigkeit am Burgtheater im Jahr 1955.
Er hatte neben einem Zitat daraus auch die Unterschriften der Schauspieler Paul Hörbiger und Ewald Balser, den Hauptdarstellern damals, sowie Tobias Moretti und Michael Märtens, den Protagonisten aus dem Jahr 2005, eingraviert.
Vom Boden zum Tisch: Arbeiten Sie dabei mit einem Netzwerk zusammen?
Ich arbeite mit drei Professionisten zusammen, die den Tisch bearbeiten: Einem Tischler, einer Restauratorin und einem Metallbauer. Dass aus dem Bühnenboden ein Tisch wird, ist ein ziemlicher Aufwand.
Zuerst müssen die Staffeln gesäubert und von der Oberfläche so behandelt und nachbearbeitet werden, dass man sich nicht verletzt. Trotzdem soll die Patina erhalten bleiben. Dann verarbeitet der Tischler die einzelnen Bretter nach dem Nut und Feder-Prinzip zu einer Platte, der Metallbauer legt die Platte mit dem eingravierten Zitat ein und fertigt die Beine. Zu guter Letzt versiegelt die Restauratorin die Oberfläche und bearbeitet sie so nach, dass sie auch hygienischen Ansprüchen entspricht.
Er ist also für den alltäglichen Gebrauch gedacht und kein Stück, dass gehegt und gepflegt werden muss?
Das überlasse ich den Besitzern. Der Tisch ist auf jeden Fall voll belastbar. Für mich ist es wichtig, dass er dort steht, wo ihn Menschen sehen. In einer Familie zum Beispiel, wo das eigene Theater stattfindet. Damit erhält der Tisch so noch nachträglich eine eigene Patina. Auch das gehört zu dem Stück dazu.
Wo sehen Sie konkret den Tisch?
In öffentlichen Bereichen, in einem Esszimmer, einer Bibliothek als Arbeitstisch, in einer Galerie, im Theater-Museum. Es gibt viele Möglichkeiten. Nur nicht im Keller oder am Dachboden. Ich glaube, dass der Tisch zum Reden, zum Miteinander einlädt und das Thema Theater aufwirft, weil es einfach sichtbar ist, dass es kein normaler Tisch ist.
Und wo ist der Tisch in Zukunft zu sehen?
Nach den Präsentationen im Dorotheum bei der „Vorschau“ zu der Versteigerung im letzten Jahr und bei der VIENNA DESIGN WEEK, war der erste große Auftritt der „Protagonisten“ auf der BLICKFANG in Wien. Das Feedback war gut, sogar so, dass der Tisch der Blickfang der BLICKFANG war. Aktuell laufen Gespräche, ob wir ihn bei der kommenden „Furniture Fair“ in New York ausstellen. Auch in einer Galerie im 7. Bezirk in Wien wird er bei einer Präsentation im Frühjahr 2017 zu besichtigen sein.
Im Moment kann man die Tische in unserem neuen Büro besichtigen zu dem es eine offizielle Eröffnung Anfang 2017 geben wird.
Wird es bei zehn Tischen bleiben oder gibt es noch Boden für weitere?
Ich habe einen bestimmten Schatz von 70 Quadratmetern Bühnenboden. Für den Tisch fällt dabei viel weg, weil ja nicht jeder Staffel verwendet werden kann. Was vom Holz übrig bleibt, wird zu den „Antagonisten“ verarbeitet. Das sind kleinere Tische in zwei Größen – „Tavolo“ und „Tavolino“. Protagonisten wird es nur zehn geben.
Verarbeiten Sie eigentlich auch andere Bühnenteile in Innenarchitektur-Projekten?
Durchaus. Ein Projekt zum Beispiel war die Verarbeitung eines Vorhangstoffes aus der Inszenierung von Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“. Er wurde in ein Möbel integriert. Mit dem Bühnenteil der Heiligen Johanna der Schlachthöfe wurde eine Kaminwand verkleidet. Und vor kurzem habe ich ein Medienmöbel gemacht, in dem Mea Culpa von einer Schlingensief-Inszenierung verarbeitet ist. So bringe ich die Bühne ins Wohnzimmer und es kommen Bühnen-, ja Theatererinnerungen in die vier Wände. Das ist meine Passion. Theater zu verarbeiten ist meine ganze Leidenschaft.
Fühlen Sie sich als Designerin?
In meinem Herzen bin ich Architektin, spezialisiert auf den Innenraum. Das heißt, ich mache Innenarchitektur und verleihe Räumen eine gewisse Linie. Manchmal verlangt es dann die Innenarchitektur ein Möbel zu designen. Das ist dann die Designerin in mir.
Über DI Ulrike Nachbargauer und UNA plant
DI Nachbargauer betreibt seit 2006 ihr Innenarchitektur-Büro „UNA plant“ und realisierte bereits zahlreiche Projekte im Privat- und Objektbereich, wie beispielsweise den WMNS Running Store in Wien oder das französische Café „Petit-Dej“ in Pötzleinsdorf. Zudem bietet sie spezielle, individuell wählbare „Leistungspakete“ – von Einrichtungsberatung und Shopping-Pläne bis zu kompletten Entwurfskonzepten.