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Der Sprung zwischen den Maßstäben

Ob er sich nun mit Architektur beschäftigt, wo die Maßtoleranz im Zentimeterbereich liegt, oder mit Design, wo es um Zehntelmillimeter geht – im „Maßstabsprung“ ist Martin Mostböck versiert. Ihm geht es, im Großen wie im Kleinen, vor allem darum, „Raumplastiken“ zu entwerfen.
Von Harald Sager

Sie arbeiten sowohl als Architekt wie auch als Designer. Gibt es eine Art Handschrift, einen Stil, der sich bei beidem durchzieht?

Martin Mostböck, Architekt, Designer, Innenarchitekt.
© Udo Titz

Als Architekt reagiere ich stark auf die lokalen „Anomalien“, wie ich es nenne, auf den speziellen Platz, an dem die Architektur stattfinden soll. Daher kann ich zwischen meinem Haus für einen Winzer in Horitschon und jenem für meine Cousine in Oberpullendorf, um zwei Beispiele zu nennen, beim besten Willen keine „Handschrift“ erkennen.

Und doch habe ich eine grundsätzlich gleiche Herangehensweise, ob es sich nun um ein Architektur- oder um ein Designprojekt handelt: Sie besteht darin, dass ich jedes Mal versuche, eine Raumplastik zu entwerfen. Also nicht nur auf der Ebene der x- und der y-Achse zu arbeiten, sondern die z-Achse einzubeziehen.

Ich nehme an, ein angenehmer Aspekt am Designen im Gegensatz zur Architektur ist die Übersichtlichkeit und Konzentration auf nur eine Sache …

Alvar Aalto hat einmal gesagt, es gibt keinen Unterschied, ob man nun einen Sessel oder ein Haus entwirft. Aber das war in den fünfziger Jahren, als die Anforderungen an Architekten noch geringer waren. Heute müssen sie gleichzeitig Haus- und Belüftungstechniker, Bauphysiker, Statiker usw. – und überhaupt auf der Hut sein! Tatsächlich ist das Briefing bei einem Designgegenstand kleiner und kompakter: Bei einem Sessel ist es egal, ob er in der Sonne steht, überhitzt werden kann, durchlüftet wird usw. Von daher ist es sicher leichter, Design zu machen. Trotzdem versuche ich in meinen designerischen Arbeiten immer, unterschiedliche Ansätze unter einen Hut zu bringen.

 

„Der Best Friends Chair ist aus einer persönlichen Enttäuschung in einer Freundschaft heraus entstanden – der reale Adressat hat die Botschaft übrigens bis heute nicht verstanden.“

 

Wie zum Beispiel?

Teils Vierbeiner, teils Freischwinger, halb aus Flachs und halb aus Propylenfasern: der Flaxx für Moroso.
© Martin Mostböck:

Der Sessel Flaxx etwa ist ein vierbeiniger Freischwinger – das hat es in dieser Kombination bisher noch nicht gegeben.
Außerdem ist das Material noch nie für Sitzmöbel verwendet worden.

Worum handelt es sich dabei?

Um eine Verbindung aus Flachs, also einem natürlichen Werkstoff, und Propylenfasern. Der Autozulieferer Intier Automotive Eybl setzt es für Kofferraumabdeckungen und Türinnenseiten ein. Aber man sieht es nicht, denn es wird von Leder oder Stoff kaschiert. Bei Eybl wollte man, dass sich ein Designer damit beschäftigt, und trat an mich heran. Ich fand es ein schönes und gescheites – weil voll recyclierbares – Material und entwarf den Flaxx. Bis wir das Material dort hatten, wo wir es hin haben wollten, mussten wir erst noch viel mit Lagenstärken und Härten experimentieren. Dafür steht der Flaxx jetzt aber in der permanenten Sammlung des Designmuseums Holon in Tel Aviv!

Wie fühlt sich das Material an?

Es hat eine angenehme, samtig-seidige, wachsartig glatte Anmutung. Man schwitzt auch kaum darauf, ich sitze selbst gerade auf einem Flaxx! Die Sitzfläche wird mit 800 Tonnen gepresst und ist auf einen 100.000-fachen Lastwechsel geprüft. Trotzdem ist mir ein bisschen mulmig geworden, als sich der bekannte Physiker Werner Gruber bei der Präsentation des Flaxx mit größter Inbrunst hineingeworfen hat! – Das war sozusagen der Elchtest – beide haben’s überlebt.

Ist der Flaxx Ihr bekanntester Entwurf?

Ja, und darüber hinaus auch der Sessel Garcia – der im Museum für Angewandte Kunst steht und im dortigen Shop auch käuflich erwerbbar ist – und das Pflanzengefäß Twista, das ich für Eternit entworfen habe.

Best Friends Chair: Wer solche Freunde hat …
© Bernhard Schramm

Und der Best Friends Chair, der ein wenig an Arbeiten von Erwin Wurm erinnert?

Der Best Friends Chair ist sicherlich die Arbeit, die mir den größten Boost gegeben und mich international bekannt gemacht hat. Er ist aber weniger ein Design- als eher ein Kunstobjekt, das es auch nur dreimal gibt: eines ist im Museum of Art and Design in New York, das andere im Museum für Angewandte Kunst, und ich besitze noch den Prototyp. Der Best Friends Chair ist unmittelbar einprägsam und wird sofort verstanden: „Hackl ins Kreuz“. Entstanden ist er aus einer persönlichen Enttäuschung in einer Freundschaft – der reale Adressat hat die Botschaft übrigens bis heute nicht mitbekommen. Ihm ist nicht zu helfen – wie so vielen.

Woher rührt Ihre Afffinität für Sessel? Oder ist es nur ein Zufall, dass Sie sich so viel damit beschäftigt haben?

Sessel interessieren mich von verschiedenen Blickwinkeln her: von der Innovation, der Ergonomie, der Qualität – und nicht zuletzt auch von der Frage her: Braucht die Welt noch einen weiteren Sessel?

Sie haben den Flaxx für Moroso entworfen. Wann kommt Ihr erstes Sofa für Moroso?

Ich habe Patrizia Moroso verschiedene Entwürfe präsentiert und sie mit ihr diskutiert – diese Dinge sind gerade im Fluss.

 

„Ich mache immer wieder den ,Maßstabsprung‘, wie ich es nenne, zwischen der Architektur, wo die Maßtoleranz im Zentimeterbereich liegt, und Design, wo es um Zehntelmillimeter geht.“

Die Stehleuchte The Edge 01 wird in Österreich her- und in den entferntesten Galaxien aufgestellt.
© Martin Mostböck

 

Ihre Standleuchte The Edge 01, eine Art Leuchtenskulptur aus Aluminium, kommt in dem Science Fiction-Film Guardians of the Galaxy vor. Wie kam es dazu?

Der Setdesigner der Marvel Studios in den USA wollte meine Arrow-Pflanzentröge, die ich für Eternit entwickelt hatte, für den Film haben und fragte mich, ob ich noch etwas ähnlich Futuristisches im Talon hätte. Daraufhin schickte ich zwei Stück von The Edge 01 – damals ein Prototyp – an die Shepherd Studios in London, wo der Film gedreht wurde, und sie setzten sie ein. Überrascht hat mich dabei nicht nur, wie lange The Edge 01 in der Szene vorkommt, sondern auch der Umstand, dass man in dem Film ganze Galaxien künstlich entstehen lässt, aber ausgerechnet zwei reale Leuchten am Set stehen hat! Hergestellt wird sie übrigens von Amari Austria.

Sind Sie mehr im Design oder mehr in der Architektur aktiv?

Mal da, mal dort. Ich mache gern den „Maßstabsprung“, wie ich es nenne: von der Architektur, wo die Maßtoleranz im Zentimeterbereich liegt, zum Design, wo es um Zehntelmillimeter geht. Mein derzeit größtes Projekt ist das „grüne“ Wohn- und Gewerbekomplex Living Garden in der Seestadt Aspern, das ich gemeinsam mit Pumar Architekten konzipiert habe und das soeben gebaut wird. Und das kleinste war wohl die Bücherstütze Brenner aus Marmor für Auerberg.

Das Logo des MAK auf der Vorder- und Rückseite des Garcia.
© Martin Mostböck

Wo kann man Ihre Designarbeiten in Österreich kaufen?

Den Flaxx zum Beispiel bei Mayr & Glatzl im Formdepot, den Garcia im MAK oder beim Hersteller Braun in Lockenhaus, die Eternit-Pflanzengefäße Arrow und Twista und alles andere online und bei ausgesuchten Händlern.

Woran liegt es, dass so wenige österreichische Architekten auch als Designer arbeiten?

Es gibt schon einige, ich denke da zum Beispiel an Roman Delugan, Adolf Krischanitz, Hans Hollein, Gregor Eichinger … – aber es sind nicht viele. Vielleicht ist es tatsächlich nicht jedem gegeben, einen Sessel zu entwerfen!

 

http://martin-mostboeck.com

 


Über Martin Mostböck

Der 1966 in Wien geborene Martin Mostböck studierte Architektur an der TU Wien und arbeitete zunächst bei Coop Himmelb(l)au, ehe er 2001 sein eigenes Architektur- und Designbüro eröffnete. Er ist Vortragender an verschiedenen Universitäten und hat zahlreiche internationale Preise eingeheimst, einige seiner Designobjekte fanden Eingang in Museen in aller Welt. Zurzeit arbeitet Martin Mostböck an dem Wohn- und Gewerbeprojekt Living Garden in der Seestadt Aspern, an einem Einfamilienhaus mit herrlichem Blick ins Wulkatal im Burgenland („Room with a view“), an einem Haus in South Carolina, USA, – und an einem Champagnerkühler. Sowie an Entwürfen für Sessel und die Trophäe für den Architekturpreis des Burgenlands – den er vielleicht selbst noch einheimsen wird. Eben erst hat seine Lampe Eklipse für Viabizzuno den European Product Design Award gewonnen.


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