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Von Faltern und Pflanzen – und dem Hintersinn des Ganzen

In den Arbeiten des Wiener Designstudios mischer‘traxler kommen oft Insekten, Pflanzen, Blätter und natürliche Materialien vor – das ist nicht nur schön anzusehen, sondern hat auch Hintersinn. Denn eines der großen Themen von Katharina Mischer und Thomas Traxler ist das durcheinandergebrachte Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur, und sie illustrieren es auf oft verblüffende Weise. Die beiden, die soeben die erstmalig vergebene Swarovski Design Medal erhalten haben, spielen in der internationalen Avantgarde-Liga mit und bekommen Aufträge von den namhaftesten Designmessen und -festivals.

Von Harald Sager

 

Katharina Mischer und Thomas Traxler. © mischer‘traxler

Katharina Mischer und Thomas Traxler. © mischer‘traxler

Auf dem letztjährigen London Design Festival im Victoria & Albert Museum konnte man in einem der hohen, mit vergoldetem Stuck verzierten Rokoko-Räume eine eigenartige, rätselhafte Installation sehen. Der Raum war nicht beleuchtet, aber es hing eine große Anzahl mundgeblasener großer Lobmeyr-Glasglocken an Schnüren unterschiedlicher Länge von der Decke, und in jeder von ihnen befand sich ein Insekt: Schmetterlinge, Falter, Libellen, insgesamt 25 verschiedene Arten. In greifbarer Nähe des Betrachters begannen LEDs in den Glasglocken zu leuchten, und die Insekten, die sich ursprünglich nicht bewegten, begannen wie wild zu flattern und stießen dabei daran an. Dabei entstand ein summender Klangteppich, der sich anhörte, als würde man in einer Wiese liegen und den Geräuschen der herumfliegenden Insekten lauschen. – Keine Sorge, in den Glasglocken waren keine echten Insekten eingesperrt – diese waren aus bedruckten, lasergeschnittenen Kunststofffolien, mit Filzkörper, naturgetreu nachgebildet und an dünnen Fäden aufgehängt: lauter Einzelstücke.

Das flackernde Licht aus 264 Glasglocken, die umherschwirrenden Insekten, das Summen – die Installation, sie nannte sich „Curiosity Cloud“, hatte etwas entrückt Schönes, Magisches. Fast ebenso verblüffend war aber, dass man lesen konnte, sie stammte von dem Wiener Designstudio mischer’traxler. Es mag verzeihlich sein, den Namen in Österreich nicht zu kennen – aber international ist das aus der Niederösterreicherin Katharina Mischer und dem Oberösterreicher Thomas Traxler bestehende Designduo, das von der Sechshauser Straße aus operiert, eine große Nummer.

 

„Unsere Installation ,Curiosity Cloud‘ illustriert den Dialog zwischen Mensch und Natur.“

 

„Curiosity Cloud“ wurde im Vorjahr auf dem London Design Festival im Victoria & Albert Museum präsentiert. © ed Reeve

„Curiosity Cloud“ wurde im Vorjahr auf dem London Design Festival im Victoria & Albert Museum präsentiert. © ed Reeve

„Curiosity Cloud“: eine schöne Installation, aber worum ging es dabei?

Katharina Mischer: Es handelte sich um eine Auftragsarbeit für das französische Champagnerhaus Perrier-Jouët, das bereits seit 1811 besteht und einen starken Bezug zum Kunsthandwerk des Jugendstils hat. So ist die Anfang des 20. Jahrhunderts von Émile Gallé entworfene Illustration auf der Champagnerflasche immer noch in Verwendung. Im Jugendstil kommen ja neben floralen Motiven immer wieder auch Insekten vor, auf Vasen, in Illustrationen, als Möbelintarsien. Darüber hinaus ist auch die Champagnerproduktion letztlich auf Insekten angewiesen, die zur Bestäubung der Reben benötigt werden.

„Curiosity Cloud“ im Detail. © ed Reeve

„Curiosity Cloud“ im Detail. © ed Reeve

Thomas Traxler: Wir haben das Insektenmotiv mit der Absicht aufgegriffen, damit zugleich ein Statement zu setzen. Denn von den 25 Arten aus aller Welt, die wir aussuchten, war ein Teil bereits ausgestorben oder gefährdet, ein zweiter Teil waren gängige Arten, und der dritte betraf Arten, die überhaupt erst vor Kurzem entdeckt wurden. Eine Art Zyklus zwischen Neuentdeckung und Aussterben, an dem der Mensch maßgeblich beteiligt ist. Die interaktive Installation, bei der die Insekten umso heftiger herumfliegen, je mehr sich der Besucher nähert, sollte dieses Wechselspiel zwischen Mensch und Natur verdeutlichen: Der Mensch kann die Natur in all ihrer Schönheit erkennen, aber er kann sie auch gefährden – und tut das ja auch.

 

Auch Ihre Arbeit „Limited moths – catocala conversa“ hatte mit Faltern zu tun. Das ist eine Lichtquelle, die von 1.160 durchnummerierten Nachtfaltern aus Messing quasi umschwirrt wird. Dieser Schwarm von Faltern bildet sozusagen die Lampe. Davon wiederum sind nur fünf Stück produziert worden, es ist demnach eine limitierte Ausgabe. – Auch das eine optisch sehr ansprechende Arbeit, auch wieder mit Hintergedanken.

„Limited moths – catocala conversa“, eine Lichtquelle, die von 1.160 durchnummerierten Nachtfaltern aus Messing quasi umschwirrt wird. © mischer‘traxler

„Limited moths – catocala conversa“, eine Lichtquelle, die von 1.160 durchnummerierten Nachtfaltern aus Messing quasi umschwirrt wird. © mischer‘traxler

TT: Die catocala conversa steht in Österreich auf der roten Liste gefährdeter Falterarten: Es soll davon nur noch 900 bis 1.200 Exemplare geben. Wenn man das so hört, bleibt es eine abstrakte Zahl, man kann sich nichts darunter vorstellen. Wir wollten das veranschaulichen, indem wir ein Objekt geschaffen und jedem einzelnen dieser Messingfalter eine Nummer gegeben haben.

KM: Dabei ist es uns auch darum gegangen, das Thema „Limitierung“ ein bisschen zu hinterfragen und zu ironisieren: Es gibt ja bei Designobjekten, Uhren, Schreibgeräten usw. eine Menge limitierter Editionen. Das mag gut sein im Sinne der „Exklusivität“ und dadurch höherer Preise. Auf der anderen Seite ist eine begrenzte Anzahl lebender Exemplare einer bestimmten Spezies definitiv eine schlechte Sache. Nun fließt von jedem verkauften Stück von „Limited moths“ ein Betrag an den Naturschutzbund zur Unterstützung dieser Art. So wollen wir durch Limitierung unserer Arbeit dazu beitragen, dass die Population dieser Falterart tendenziell wieder ins Unlimitierte geht.

 

„Die Interaktion mit dem Designobjekt ist uns grundsätzlich wichtig, und sie dient auch oft der Veranschaulichung einer Idee.“

 

Die Idee der Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur liegt auch Ihrem Objekt „ephemerā“ zugrunde. Es handelt sich um einen großen Eichentisch, aus dessen Oberfläche eine Auswahl verschiedener Pflanzen und Insekten – auf Pflanzenform zurechtgeschnittene Federstahlobjekte – „sprießen“, solange man weit genug davon entfernt ist. Nähert man sich dem Tisch, „verschwinden“ die Pflanzen in ihren Einlässen. – Eine treffende Metapher für das Unheil, das der Mensch mit der Natur anrichtet.

Arbeit an „ephemerā“, das auf der Design Miami 2014 präsentiert wurde. © Gesi Schilling

Arbeit an „ephemerā“, das auf der Design Miami 2014 präsentiert wurde. © Gesi Schilling

KM: „ephemerā“ entstand ebenfalls für Perrier-Jouët und wurde auf der Design Miami 2014 präsentiert. Bei dieser Arbeit geht es auch wieder um den Dialog zwischen Mensch und Natur.  Dazu haben wir eine Szenerie aus Pflanzen und Insekten „real“ nachgebildet und in Bewegung versetzt. Nähert man sich dem Tisch, verschwinden sie. Wir reagieren auf die Natur, die Natur reagiert auf uns. Ebenso wie bei „Curiosity Cloud“ handelt es sich auch hier um Pflanzen- und Insektenarten, die teils ausgestorben, teils verbreitet bzw. eben erst entdeckt worden sind.

 

„Mit unserer Lichtinstallation ,LeveL‘ wollen wir zeigen, dass wir alle, als Einzelwesen, als Gemeinschaft und mit der Umwelt, miteinander verbunden und vernetzt sind. Die Utopie besteht darin, ein Gleichgewicht aller Kräfte herzustellen.“

 

Ihre Installation „LeveL: the fragile balance of utopia“ war der Österreich-Beitrag auf der diesjährigen London Designbiennale London im September. Was hat es damit auf sich?

TT: Das Biennale-Thema „Utopia by Design“ erinnert an den 500. Jahrestag der Ersterscheinung von Thomas Morus‘ sozialphilosophischem Werk „Utopia“. Wir wurden von Austria Design Net angefragt, eine Rauminstallation zu diesem Thema zu entwerfen. Unser Beitrag „LeveL“ ist eine Lichtinstallation mit zahlreichen miteinander verbundenen Stangen, an deren Enden Leuchtkörper aus Japanpapier befestigt sind.

„LeveL: the fragile balance of utopia“, der Österreich-Beitrag auf der diesjährigen London Designbiennale London. © mischer‘traxler

„LeveL: the fragile balance of utopia“, der Österreich-Beitrag auf der diesjährigen London Designbiennale London. © mischer‘traxler

KM: Es ist ein großes Mobile, das den Raum ziemlich ausfüllt und interaktiv funktioniert: Gibt es keine Bewegung im Raum, so ist das Mobile reglos, und alle Lichter leuchten in der stärksten Strahlkraft. Bei Luftzug oder Berührung beginnt die Installation, sich zu bewegen, und gleichzeitig wird das Licht gedimmt. Wir wollen damit zeigen, dass eigentlich alles irgendwie miteinander verbunden und vernetzt ist und dass eine Utopie nur temporär existieren könnte, denn sobald ein Element ins Schwanken kommt, kollabiert die Perfektion. Alles hängt mit allem zusammen, und die Utopie besteht darin, ein Gleichgewicht aller Kräfte herzustellen, also etwa, persönliche Freiheit und Bedürfnisse mit wechselseitigen Abhängigkeiten in der Gesellschaft zu versöhnen. Zugleich ist aber gerade perfektes Gleichgewicht wieder der Punkt, an dem es keine Bewegung – kein Leben – mehr gibt.

 

www.mischertraxler.com

 


Arbeiten von mischer’traxler www.mischertraxler.com sind erhältlich: direkt bei ihnen auf Anfrage sowie bei Design & Art www.designandart.at auf der Westbahnstraße in Wien und bei Victor Hunt Designart Dealer, Brüssel: www.victor-hunt.com. Ihre „Day-by-day“-Teppiche werden in Nepal produziert und von Nodus www.nodusrug.it vertrieben.


 

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