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Die Kunst der Reduktion

Auch die nächste Generation trägt seine Handschrift: Andreas Enslin ist der Design-Mastermind hinter der neuen Generation 7000 von Miele. „Die Explosion technologischer Möglichkeiten ist für einen Designer ein Geschenk“, so der Miele-Chefdesigner und setzt zugleich bewusst auf Reduktion, nutzerrelevante Features und „Universal Design“. Ganz gemäß dem Motto: Immer einfacher ist auch immer besser.
Von Sylvia Pilar

Andreas Enslin, Miele-Chefdesigner und Design-Mastermind hinter der neuen Generation 7000. © Miele

Wofür steht die Generation 7000 von Miele?
Andreas Enslin: Zum Beispiel reagieren wir mit der Generation 7000 auf zwei wesentliche Trends beim Wohnen – Integration und Reduktion. Die Geräte fügen sich harmonisch in jeden Einrichtungsstil ein und sind intuitiv bedienbar. Außerdem ist es die erste Miele-Generation von Einbaugeräten, die durchgängig vernetzbar ist, mit Anbindung der Geräte an die Miele App.

Was stand am Anfang: Design oder Technologie?
Enslin: Das lässt sich nicht trennen, Industrie-Design bedeutet immer beides. Um herauszufiltern, was unsere Kunden künftig wollen, helfen uns neue Perspektiven.

Die Zukunft des Kochens: Die neue Miele Generation 7000. © Miele

Beispielsweise haben wir im Designcenter mit dem Projekt „KogniHome“ einen Prototypen für assistiertes Kochen entwickelt und aufgebaut. Bei der Trenduntersuchung haben wir festgestellt, dass Wohnungen im urbanen Umfeld immer kleiner werden, sich die Küche als separater Raum auflöst und sich Arbeiten und Leben immer mehr vermischen. Wir haben überlegt, was das für die Küche der Zukunft bedeutet und wie wir dem Kunden die wertvolle Fläche die das Kochfeld in der meisten Zeit des Tages belegt zurückgeben können.

 

„Weglassen macht viel Mühe – wir müssen dafür viel Kreativität, Technologie und Arbeit investieren, aber so geht Premium.“


Das Ergebnis war ein Kochtisch mit Flächeninduktion und einem unsichtbaren Kochfeld, das unter der Arbeitsplatte verschwindet. Die Töpfe haben wir am Boden isoliert, um zu vermeiden, dass die Fläche, auf der sie stehen heiß wird und die Bedienung ist ganz simpel am Topf untergebracht. Damit kann ohne Lernaufwand sofort gekocht und die Fläche danach gleich wieder zum Arbeiten und Spielen genutzt werden. Diese Lösung erfordert sehr viele integrierte, hochentwickelte Technologien – aber auf der Seite der Nutzer führt sie zu einer enormen Komplexitätsreduzierung. Die Lösung sieht dann verblüffend einfach aus.

Intuitiv und flexibel, eröffnen die neuen Kochfelder von Miele mit Vollflächeninduktion neue Möglichkeiten. © Miele

Wird dieser Ansatz weiterverfolgt?
Enslin: Daran arbeiten wir intensiv. Ein Spin-off ist neue Bedienung der Vollflächen-Kochfelder. Beim Kochen erschließt sich sehr schnell der Wert dieser Lösung, wir definieren damit die Klasse der Vollflächen-Kochfelder neu. Wir kommen in dieser Geräteklasse als einziger Hersteller tatsächlich ohne integriertes, großes Display aus.

„Die Bedienung ist genial einfach und intuitiv.“


Wird ein Topf verschoben, wandert die Zahlreihe mit der aktuellen Leistungsstufe dem Topf hinterher. Es braucht keinen Bildschirm, keine Menütiefen, gar nichts. Die Bedienung ist genial einfach und intuitiv. Diese Innovation ist völlig einzigartig und auf die bereits in einem hochwertigen Serienprodukt erreichte Komplexitätsreduktion bin ich stolz. Weglassen macht viel Mühe – wir müssen dafür viel Kreativität, Technologie und Arbeit investieren, aber so geht Premium.

„Der Blick richtet sich immer in die Zukunft“, erklärt Miele-Chefdesigner Enslin. © Miele

Wie verläuft generell die Entwicklung eines neuen Produkts oder einer neuen Generation?
Enslin: Die Entwicklung ist ein dauerhaft laufender Prozess, der sich zu einem gewissen Punkt konkretisiert. Dafür gibt es verschiedene Triggermomente, zum Beispiel eine neue Technologie wie beim Miele Dialoggarer. Der Blick richtet sich immer in die Zukunft. Wir arbeiten bei Miele mit verschiedenen Horizonten: der Horizont 1 etwa reicht bis zwei Jahre in die Zukunft, das Design begleitet hier den Umsetzungsprozess.
Horizont 2 bedeutet drei bis fünf Jahre in die Zukunft zu planen, hier findet dann auch die eigentliche Produktentwicklung statt, aber vieles ist auch schon gesetzt.
Und Horizont 3 schließlich reicht fünf bis zehn Jahre in die Zukunft, der ist besonders interessant ist für uns im Design, denn hier stellen sich die spannenden Fragen, etwa wohin sich eine Gesellschaft entwickelt, was die Trends für uns bedeuten und welche technologischen Entwicklungen wir aufgrund dieser Trends jetzt anstoßen müssten. Hier entstehen Studien und Konzepte.

„Die Triebfeder für Designer ist es, für Menschen etwas zu erschaffen, das Bedeutung in ihrem Leben hat.“


Designer und Ingenieure arbeiten aber hier nicht immer mit demselben Bild zusammen, denn die Auswahl von Technologien oder Funktionen wird im Horizont 3 nicht über die Technologien, sondern über die Erkenntnis, was Menschen brauchen und vor allem akzeptieren werden bestimmt.

 

Wie eng sind Design- und Technologieteam verwoben?
Enslin: Design ist nicht Gestaltung von Farben und Formen, sondern entwirft ein Konzept. Es geht um die ganzheitliche Gestaltung, um Zusammenhänge. Solitäre sind nicht Design, sondern Kunst. Design hat seit über 100 Jahren den Auftrag Technologien für Nutzer nutzbar zu machen, Unbekanntes zu erklären und dadurch Technologie zu demokratisieren.

Never ending: Die Entwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, das Ergebnis ausgeklügelte Produkten wie der Dialoggarer, den es nun im Designkleid der neuen Generation 7000 gibt. © Miele


Die Triebfeder für Designer ist es, für Menschen etwas zu erschaffen, das Bedeutung in ihrem Leben hat. Das Auto oder das iPhone sind wunderbare Beispiele dafür, wie stark Design unser Leben verändert hat. So machen Designer gute, sinnvolle Dinge für Menschen. Weil es dazu Technik braucht, gibt es Industriedesigner, und diesen gibt die Explosion technologischer Möglichkeiten eine nie gekannte Freiheit. Früher war es immer ein Kampf, überhaupt eine geeignete Technologie für eine neue Idee zu finden. Jetzt kann ich alles umsetzen was mir einfällt – und die neue Herausforderung liegt in der Fokussierung.

In welche Richtung?
Enslin:
Die zentrale Frage ist nicht mehr die, wie ich eine tolle Idee technisch umsetzen kann, sondern die, welche von all den vorhandenen Technologien denn überhaupt sinnvoll sind und was sie für uns als Menschen bedeuten. Aus dem „Wie machen?“ ist ein „Warum machen?“ geworden. Was brauchen Menschen in Zukunft, was verstehen wir Menschen, wie lässt sich Nutzen und Vertrauen schaffen, wenn sich Technologien verselbständigen.

„Aus dem ‚Wie machen?‘ ist ein ‚Warum machen?‘ geworden.“


Wie viel Freude wird es mir noch bereiten, wenn wir uns statt mit Menschen mit einer künstlichen Intelligenz am anderen Ende einer Hotline unterhalten. Vielleicht können Maschinen künftig ja auch einiges besser als Menschen. Die neuen Möglichkeiten haben große Potenziale – aber auch Gefahren wenn man etwas nicht in seiner Gesamtheit vom Nutzer aus gestaltet.

Ganzheitlich gedacht und gemacht: Die Miele Generation 7000 setzt nicht auf mehr, sondern beste Technologie in modernem Design. © Miele

Welche Rolle spielt das Design bei der Bedienung?
Enslin: Ich habe den Anspruch, dass wir bei Miele in jeder Produktgruppe mindestens ein Produkt haben, das für Menschen mit Einschränkungen zugänglich und bedienbar ist. Wir sind damit bislang ziemlich alleine und haben etwa den Universal Design Award für eine Waschmaschine mit einer anpassbaren Bedienung für Menschen mit Sehbehinderung erhalten.

„Die Digitalisierung bietet so viele Chancen – aber nur, wenn Produkte ganzheitlich und nicht nur aus einer technischen oder kaufmännischen Sicht heraus entwickelt werden.“


Es ist unsere Verantwortung als Designer, aber auch als Marke und Unternehmen Produkte für alle Menschen anzubieten, „Universal Design“ lautet das Stichwort hierzu. Wir haben als Designer einen sozialen Auftrag, weil wir sonst viele Menschen gerade bei und mit der Digitalisierung sozusagen „abwerfen“ werden. Miele ist übrigens der einzige Hersteller, der eine Waschmaschine mit einer Touchbedienung anbietet, die auch von blinden Nutzern bedient werden kann. Die Digitalisierung bietet so viele Chancen – aber nur, wenn Produkte ganzheitlich und nicht nur aus einer technischen oder kaufmännischen Sicht heraus entwickelt werden. Neben dem sofort einleuchtenden Wert von Designlösungen für Nutzer mit Einschränkungen sehen wir aber im „Universal Design“ bereits heute auch einen enormen Wert für den „Normal“-User: weil eben keine Bedienungsanleitung studiert werden muss, die Bedienung einfach und intuitiv ist wird gerade hier die vorgestellte Bedienlösung sehr geschätzt.

Wie groß ist das Entwicklungsteam?
Enslin:
Aktuell sind es im Designcenter fast 50 Kolleginnen und Kollegen. Gut 40 Prozent unserer Aufgaben betreffen schon das User Experience Design, ein spannendes Feld mit viel Potenzial. Für uns als Marke zeigen sich durch die Möglichkeit der Vernetzung der Generation 7000 ganz neue Möglichkeiten besondere, herausragende Erlebnisse zu schaffen.

Trotz des aktuellen Trends zur grifflosen Küche umfasst die neue Miele-Generation eine Serie mit Griffen.
Enslin:
Ja, denn nicht alle Kundinnen und Kunden wünschen sich eine grifflose Küche, zumal in den weltweit unterschiedlichen Märkten, in denen Miele agiert. In den etwas konservativeren Märkten ist die Edelstahl-Griff-Kombination nach wie vor gefragt und daher wichtig.

Formschöne Harmonie: Gekonnt fügt sich die neue Generation mit ihrer Fülle an Geräten in das Interieur ein und sorgt mit top Features für smarten Kochkomfort. © Miele


In Ländern wie Österreich steht reduziertes Design höher im Kurs – und damit die Kombination von Glas und grifflosen Fronten. Durch die Integration der Kochgeräte in den Wohnbereich sind auch die Farb- und Lichtgestaltung essenziell geworden. Die Verwendung von Glas macht unsere Produktrange darauf noch besser anpassbar, es wird im Wohnraum künftig reduzierter und damit klarer.

 

Welche Elemente und Technologien wurden bei der Generation 7000 bewusst weggelassen, die in den nächsten Jahren entscheidend werden könnten?
Enslin: Wir hätten technologisch noch viele weitere Features und Elemente einbauen können. Zu entscheiden, was es nicht braucht, ist schwierig, aber entscheidend für das Design und die User Experience.

„Durch die Integration der Kochgeräte in den Wohnbereich sind auch die Farb- und Lichtgestaltung essenziell geworden. Die Verwendung von Glas macht unsere Produktrange darauf noch besser anpassbar, es wird im Wohnraum künftig reduzierter und damit klarer“, erzählt Enslin. © Miele


In Zukunft wird es wohl noch weniger sein. Ich denke, wir werden bei den nächsten Generationen sehen, dass Kunden für weniger mehr bezahlen werden. Reduzierung von Komplexität ist ein Wert, kostet aber auch Geld.

„Die Entwicklung ist ein on going process“


Eine künstliche Intelligenz, die erkennen kann, was in meinem Backofen gerade passiert, hilft mir zu verhindern, dass mein Gugelhupf schwarz oder die Forelle zu trocken wird. Diese Vereinfachung erfordert bis dahin aber einen enormen Entwicklungsaufwand und viele Investitionen. Einfacher ist dann teurer.

Was zeigt sich denn konkret am Horizont 2 und 3?
Enslin:
Ich glaube an das Thema der Assistenz in der Küche. Unser Ziel ist ein Assistenzsystem, das keinen Eingriff des Benutzers verlangt, sondern auf ihn eingeht, mit ihm lernt und mit ihm wächst. Sonst ist der Nutzer Marionette seines Gerätes.

„Ich glaube an das Thema der Assistenz in der Küche“, so Enslin. Miele Innovationen wie die neuen Backöfen mit „TasteControl“, „FoodView“ und „MotionReact“ weisen den Weg in die Zukunft. © Miele


Eine erste Vision dazu hatten wir 2016 in Mailand mit „The Invisible Kitchen“ gezeigt. Wir arbeiten intensiv daran und koppeln regelmäßig marktfähige Produkte aus, wie aktuell unser neues Vollflächen-Induktionskochfeld. Auch durch unser Engagement im Bereich SmartHome ergeben sich neue Möglichkeiten. Die Entwicklung ist ein on going process und komplex. Design war nie leicht. Wer keine hohe Frustrationstoleranz hat, hält diesen Beruf nicht lange aus. Mir macht Design Spaß. Immer noch.

www.miele.at

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