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Ein Mann der Reduktion

Für den Londoner Lichtdesigner Michael Anastassiades ist Entwerfen vor allem ein Prozess der Reduktion bzw. der Subtraktion – bis nur noch die Essenz des Objekts übrig bleibt. Daher haben seine geometrischen Objekte auch eine gewisse kontemplative Qualität.
Von Harald Sager

 

Wie würden Sie Ihren Designstil beschreiben?

Michael Anastassiades © Ben Murphy

Ich versuche, die Objekte, die in meiner Vorstellung entstehen, um all das zu reduzieren, was nicht nötig bzw. unerlässlich ist – bis nur noch die Essenz übrig bleibt. Das ist gewissermaßen ein Subtraktionsprozess. Was ich anstrebe, sind klare, pure Formen, eine bestimmte Geometrie und Balance.
Man sagt oft „Minimalismus“ dazu, aber das ist meiner Meinung nach ein Missverständnis oder eine leicht zu öffnende Schublade, in die man meine Arbeit stecken kann. Ich betrachte es eher als einen Akt der Reduktion oder der Destillation.
Ich arbeite mit geometrischen Formen und einfachen Grundmustern wie Kegel, Zylinder oder Kugeln. Die Gegenstände, die dabei herauskommen, sind von einer geradezu kontemplativen oder auch meditativen Anmutung, und ich finde, dass sie sowohl eine funktionale als auch eine emotionale Qualität haben.

Eines der Modelle von 2017 aus der Serie Mobile Chandeliers. © Michael Anastassiades

Ich habe vor meiner Designausbildung Bauingenieurwesen studiert und gehe dadurch sehr praktisch und bodenständig an designerische Aufgaben heran. Aber diese Haltung entspricht mir auch: Ich brauche einen Grund, um etwas zu entwerfen. Der Gegenstand muss einen Sinn und Zweck haben. Wenn das nicht vorhanden ist, verspüre ich auch nicht das Bedürfnis, ihn zu konzipieren.
Meine Arbeiten bewegen sich oft im Grenzbereich zwischen Design und Kunst, und auch ich selbst würde mich nicht als Designer oder als Künstler bezeichnen, sondern, ganz allgemein gesprochen, als „Kreativer“. Aber da ich nun einmal eine Designausbildung habe, werde ich eben in die Designer-Schublade gesteckt.

 

„Ich versuche, die Objekte, die in meiner Vorstellung entstehen, um all das zu reduzieren, was nicht nötig bzw. unerlässlich ist – bis nur noch die Essenz übrig bleibt.“

 

Sie entwerfen vor allem Lichtobjekte – warum?

Die Pendelleuchte String Lights (für Flos) hält ein sensibles Gleichgewicht. © Germano Borrelli

Es stimmt, dass 80 Prozent meiner Arbeit mit Licht zu tun haben, und das hat sozusagen historische Gründe: Als ich vor zehn Jahren meine eigene Designmarke Michaelanastassiades gründete, beschloss ich, mich auf Leuchtendesign zu konzentrieren.
Das Medium Licht zog mich an: Nichts kommt natürlichem Licht gleich, aber es ist auch interessant in einer kontrollierten Umgebung, sprich, mit künstlichem Licht, zu arbeiten. Licht und Raum sind miteinander verbunden – Lichtobjekte zu entwerfen heißt für mich, dieses Verhältnis näher zu untersuchen.
Außerdem machte es damals für mich Sinn, mich auf eine Sache zu fokussieren. So kam ich 2011 mit der italienischen Leuchtenmarke Flos in Berührung. Ich präsentierte Piero Gandini, dem Chef von Flos, die String Lights, und er sagte, dass sie ihm gefallen und er würde mir Bescheid geben. Ich dachte, dass ich nie wieder von ihm hören würde, aber ein paar Tage später rief er an uns sagte mir, ,Okay, wir sind Partner.‘! Die Produktion der String Light wurde begonnen, ein Jahr später folgte die IC Light-Linie, und so ging es weiter – Flos ist bis heute mein größter Kunde.

 

Mit welchen Materialien arbeiten Sie am liebsten?
Das kommt darauf an, welche Absicht ich mit einem Produkt habe, welche Qualitäten ich damit rüberbringen möchte. Im Allgemeinen arbeite ich gerne mit Messing, Bronze und anderen Metallen; auch mit Glas – generell mit Materialien, die das sind, was sie scheinen. Wenn es Holz ist, will ich Holz haben, kein Furnier. Wenn Metall, dann es selbst – kein Kunststoff, der wie Metall aussieht. Ehrlichkeit bei Materialien ist mir wichtig.

 

„Licht und Raum sind miteinander verbunden – Lichtobjekte zu entwerfen heißt für mich, dieses Verhältnis näher zu untersuchen.“

Michael Anastassiades für Flos, Euroluce 2017. © Germano Borrelli

 

Welche sind Ihre bekanntesten Produkte: die String Lights, die Mobile Chandeliers, die IC Lights?

Die Serie IC Lights schiebt eine ruhige Kugel. © Michael Anastassiades

Alle drei. Bei der Pendelleuchte String Lights hatte ich die Vorstellung einer Struktur nach Art eines Perpetuum Mobile mit einer Lichtquelle mittendrin, das durch die Verschränkung von Kabeln und die Platzierung von Halterungen an bestimmten Stellen an den Wänden und der Decke in einem sensiblen Gleichgewicht gehalten wird. Sie kann nach Belieben platziert und verschoben werden, sodass ich letztlich dem Besitzer der String Lights die Freiheit zurückgebe, seinen Raum so zu gestalten, wie er will. Am Anfang der String Lights stand die Beobachtung, dass man oft genau dort ein Licht im Raum haben möchte, wo es keinen Anschluss gibt, und dann hat man es immer mit Kabeln zu tun.
Die Mobile Chandeliers ihrerseits sind so etwas wie geometrische Figuren im Raum, die aus mehreren miteinander verknüpften Teilen bestehen. Diese stellen untereinander eine perfekt austarierte Balance her – die kleinste Gewichts- oder Positionsverlagerung würde das Gleichgewicht jedoch zerstören.
Bei den IC lights schließlich wollte ich den Moment einfangen, wenn eine Kugel perfekt in ihrem Gleichgewicht ist und sozusagen in sich ruht.

 

Wie arbeiten Sie: auf dem Papier, am Computer?
Ich habe mein Skizzenbuch immer bei mir. Die besten Ideen kommen mir nicht am Schreibtisch, sondern wenn ich einfach irgendwo dasitze und tagträume. Ich mache Skizzen, und von der ausgearbeiteten Skizze wird sogleich ein Modell angefertigt – wenn es nicht zu aufwändig ist, im Maßstab eins zu eins. Für mich ist es wichtig, ein physisches Objekt zu haben, um zu sehen, wie es tatsächlich wirkt. Erst wenn es diesen Realitätstest bestanden hat, folgen die Zeichnungen auf dem Computer.

 

Sie sind auf Zypern geboren, warum arbeiten Sie gerade in London?

Die Kombination aus Tisch, Leuchte und Kugel nennt sich Floor Composition. © Michael Anastassiades

Ich habe in Nikosia eine englische Schule besucht, anschließend kam ich nach London, um zu studieren, denn, so paradox das klingen mag, damals gab es auf Zypern noch keine Universität – das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Ich studierte am Imperial College in London Bauingenieurwesen und anschließend Industriedesign am Royal College of Art. Ich bin in London geblieben, weil das für mich ein Ort ist, an dem viele kreative Menschen zusammenkommen. Wenn man seine Ideen in solch einem geistigen Umfeld einbringt, finden sie automatisch die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.

 

„Die besten Ideen kommen mir nicht am Schreibtisch, sondern wenn ich einfach irgendwo dasitze und tagträume.“

 

Sie sind Designer, stehen hinter der Marke Michaelanastassiades und verkaufen Ihre Produkte obendrein auch noch in Ihrem eigenen Shop, ist das richtig? Haben Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Studio?

Aus der Leuchtenserie Captured für Lobmeyr. © Michael Anastassiades

Das stimmt, ich designe für andere Marken, aber auch für meine eigene. Was unter Michaelanastassiades läuft, lassen wir selbst in kleinen Familienbetrieben nach unseren Instruktionen produzieren und bauen es im Studio zusammen. Darüber hinaus konzipiere ich Ausstellungen an der Schnittstelle von Design und Kunst. Und wir haben in dem Haus, in dem ich lebe und in dem auch mein Studio untergebracht ist, eine Verkaufsgalerie, die auf Anfrage geöffnet ist. Im Moment sind wir inklusive mir vier Designer sowie vier weitere Mitarbeiter, die sich um die Marke kümmern.

 

Sie haben die Gewürzmühlen Italic sowie eine Kaffeemühle für die Werkstätte Carl Auböck designt, Sie haben 2012 im Geymüllerschlössl des MAK die Ausstellung Time and again gestaltet, und einige Ihrer Objekte sind im MAK vertreten. Darüber hinaus haben Sie, ebenfalls im Jahr 2012, die Leuchtenserie Captured für Lobmeyr gestaltet – haben Sie ein besonderes Verhältnis zu Wien?
Wiens kulturelle Atmosphäre hat mich immer schon angezogen, ich denke da insbesondere an die Kunst der Jahrhundertwende und der Folgejahrzehnte, an die Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann, Adolf Loos usw.

 

Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Es wird neue Linien für Flos und den US-Möbelhersteller Herman Miller, mit dem ich seit zwei Jahren zusammenarbeite, geben, zusätzlich bereite ich ein, zwei Ausstellungen vor.

 

michaelanastassiades.com
studiomichaelanastassiades.com

 

 


Michael Anastassiades

Der aus Zypern gebürtige Michael Anastassiades hat am Imperial College in London Bauingenieurwesen und anschließend am Royal College of Art Industriedesign studiert. Er eröffnete im Jahr 1994 sein eigenes Studio und entwirft vorwiegend Leuchten, aber auch Möbelstücke, Gläser, Spiegel, Teeservices usw. Zusätzlich richtet er Ausstellungen an der Schnittstelle von Design und Kunst aus. Anastassiades arbeitet für namhafte Hersteller wie Flos, Lobmeyr, Swarovski, Svensk Tenn, SCP, Puiforcat, Verreum und Herman Miller. Mit seiner 2007 gegründeten Marke Michaelanastassiades lässt er seine eigenen „Signature“-Leuchten und -Objekte in kleinen Familienbetrieben handwerklich herstellen. Stücke von ihm sind u.a. in den permanenten Sammlungen des MoMA in New York, des Victoria and Albert Museum sowie des Craft Council in London und des MAK vertreten.


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