„Lotte ist einfach ehrlich“
Der bekannte Innsbrucker Designer Horst Philipp hat sein eigenes Label gegründet und beschreitet mit „Tante Lotte Designmöbel“ eigene, unkonventionelle Wege. Er begibt sich auf die intensive Spurensuche nach echter Nachhaltigkeit, setzt auf Emotionalität und regionale Profis mit Pfiff und Know-how. „Tante Lotte“ sei ein regionales Label mit internationaler Ausrichtung, so Philipp über die neue Designmarke.
WOHNDESIGNERS: Der Name „Tante Lotte“ ist ja durchaus ungewöhnlich. Woher kommt er?
Horst Philipp: Tante Lotte kommt ursprünglich von meiner Taufpatin Tante Lotte. Wenn sie zu uns gekommen ist, war das immer etwas Warmes, Tolles, Ereignisreiches und ich habe immer als running gag gesagt, dass wenn ich einen zweiten Namen hätte, ich Lotte heißen würde. Es war also naheliegend, meine Firma so zu nennen. Und im Wort Lotte steckt viel drinnen und das ist auch das Motto des Labels: Viel recherchieren, viele Hintergründe erfragen, viel transportieren.
WD: Was heißt genau dieses „Viel“ genau?
HP: Das heißt weniger viel rein- und draufpacken, als in die Tiefe zu gehen. Ich recherchiere sehr viel, woher die Materialien kommen, wer sie macht und ob es wirklich alles sinnvoll ist, was ich tue. Ich möchte Verantwortung übernehmen, welche Produkte ich in die Welt hinaus schicke. Ich sehe die Verantwortung zwar sehr wohl auch beim Endkunden, aber die viel größere beim Designer. Als Hersteller habe ich die Möglichkeit zu ent- scheiden, wo ich produziere und mit welchen Firmen ich zusammenarbeite, zu schauen, ob diese inte- griert arbeiten, Behinderte einstellen, die Arbeitsplätze richtig einrichten, nachhaltig produzieren und so weiter.
WD: Sie haben also auch einen hohen sozialen Anspruch?
HP: Ja. Mein Prinzip ist, nicht nur in alle Richtungen neutral zu sein, Kreisläufe zu schließen und keinen Müll zu produzieren. Sondern ich würde gerne aufbauen, dass Netzwerkpartner auch mit Produkten mitwachsen und gefördert werden, aber auch dass Rohstoffe und Materialien durch die Verwendung wieder einen Wert bekommen und langfristig erhalten bleiben.
WD: Zieht das Argument der Nachhaltigkeit überhaupt noch?
HP: Ich habe lange überlegt, welchen Stempel ich Tante Lotte verpassen will. Nachhaltigkeit? Ethisch korrekt? Lotte ist einfach ehrlich. Ich will keine Zertifikate, an denen ich mich abschmieren kann, sondern so weit gehen, dass es für mich passt. Wenn mit vielleicht ein Teil nicht so passt, dann kommuniziere ich das auch. Das ist mir wichtig.
WD: Eines Ihrer ersten Produkte ist das „HEUMANDL“, das auf den ersten Blick sehr starke Anleihen an der im alpinen Raum traditionellen Vorrichtung zum Trocknen von Gras. Ist das Ihre Intention, Traditionelles aufzugreifen und in die Moderne zu überführen?
HP: Ganz theoretisch gesprochen – ja. Für mich ist das „HEUMANDL“ vom Design- ansatz her eher aber vor allem etwas Emotionales. Wenn ich es betrachte, weckt es viele Geschichten, Gefühle und Erinnerungen an meine Kindheit in mir. Auch der Geruch. Es werden ja Almheu und –kräuter aus 1.400 Metern Höhe, von Hand gemäht, verarbeitet. Zusätzlich zu den vielen Kräutern, die ohnehin schon enthalten sind, wird es noch mit Lavendel, Margeriten, Heublumen und vielem mehr „gewürzt“. Wenn man abends das Licht einschaltet und die Leuchte ein bisschen warm wird, ist es wirklich eine Duftexplosion.
WD: Sie setzen auf regionale Spezialisten. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?
HP: Ein paar Produkte sind entstanden, indem ich Bekannte wieder getroffen habe. So wie beim HEUMANDL. Die Firma Organoid Technologies habe ich schon einige Jahre im Blick und sie schaffen es, Naturmaterialien zu pressen. Nach dem ersten Versuch haben wir noch sieben Monate am HEUMANDL herum getüftelt, geforscht und experimentiert, um die halbtransparente Hülle so hinzubekommen, wie sie jetzt ist. Dazu habe ich eine alt-eingesessene Möbelmanufaktur in schönster Berglage für die Produktion der Gestelle und eine Lichttechnikfirma für die Verkabelung gefunden.
WD: Braucht es dafür auch wirklich so kleine spezialisierte Betriebe? Ist das ein Vorteil?
HP: Das Absurde ist ja oft, dass die Innovation nicht bei den Firmen, sondern bei den Herstellungsbetrieben liegt. Ich selbst will die Innovation nicht aus der Hand geben und arbeite vernetzt. Ich setze auf langfristige Kooperationen, arbeite eng mit Firmen zusammen, fördere sie und wir sind alle begeistert und haben viel dazu gelernt.
WD: Welche Produkte gibt es neben dem HEUMANDL bereits von „Tante Lotte“?
HP: So einiges, unter anderem einen Stuhl, mehrere Gläser, PINWOOL und auch zwei verschiedene Tische aus ganz speziellem Holz. Zum Beispiel den „BAAM“-Tisch. Die Bäume dafür wachsen ganz natürlich und dementsprechend verschnörkelt und genau so schauen die Bretter auch innen aus. Das ist ein wunderschönes Holz und die Tische werden individuell angefertigt.
WD: Sehen Sie ihre Produkte nur im ländlichen oder auch im urbanen Raum?
HP: Ich sehe sie eigentlich überall und ich habe auch nicht vor gehabt, meine Tätigkeit auf Tirol zu beschränken. Im Gegenteil: Das HEUMANDL zum Beispiel kommt schon jetzt extrem gut in Japan, in Amerika und in Brasilien an.
WD: Lassen Sie sich da von der Natur inspirieren oder haben Sie zuerst ein Design im Kopf und suchen erst dann nach dem Material?
HP: Eigentlich habe ich diese Materialien schon lange im Auge, genauso wie viele Unternehmen, die solche Bio-Produkte herstellen. Ich verfolge viele Geschichten über Materialien, über Nachhaltigkeit, über soziale Projekte und kann ziemlich aus den Vollen schöpfen an Geschichten, die ich mit meinen Produkten erzählen damit etwas bewirken will.
WD: Wo sind die Produkte zu sehen und erleben?
HP: Im Moment nur im Internet, bei mir im Büro oder im Lager, und auf Ausstellungen. Klassische Verkaufsräume will ich nicht und auch nicht die Leute dazu drängen, zu kaufen. Sie sollen sich mit den Produkten auseinander setzen, sie berühren und sich ganz bewusst dafür entscheiden. Ich werde also direktere Wege im Vertrieb suchen – über das Web und kleinere Partner, ausgewählte Unternehmen und Häuser, wo sicher auch ein paar Möbel zu sehen sein werden.
Horst Philipp, Jahrgang 1974, ist seit diesem Jahr mit seinem Label „Tante Lotte Designmöbel“ aktiv. Der Innsbrucker Designer, der mit Nina Mair und Georg Öhler als Designstudio Pudelskern internationale Erfolge feierte, ist zudem Gründer und Mitglied von „Design in Tirol“.