„Fino ist einfach geflossen“
Ausgezeichnete Kreationen sind die Spezialität von Thomas Feichtner. Aus seiner Feder stammt auch das Design für „Fino“, die neue, aber bereits schon mit zwei hochkarätigen Awards prämierte Möbelkollektion von ANREI. wohndesigners besuchte den international renommierten Designer und dessen Frau Simone im Atelier des Studio Thomas Feichter und warf einen Blick hinter die Kulissen.
wohndesigners: Welche Grundidee steckt hinter und in „Fino“?
Thomas Feichtner: Um die Grundidee zu beschreiben, muss ich eigentlich zuerst den Zugang zum Unternehmen skizzieren. Schon durch die Fahrt zu ANREI nach Pabneukirchen ist man automatisch auf das Thema eingestellt. Das Unternehmen ist umgeben von Wäldern und erst dort vor Ort versteht man auch die Möbel. ANREI hat sehr viele Preise in Bezug auf Nachhaltigkeit, den Umgang mit Mitarbeitern und mit Material gewonnen und in dieser bevölkerungsschwachen Gegend ein solches Unternehmen zu positionieren, ist das Richtige für diese Gegend und Region. Dadurch war für mich klar: Das ist ein sehr interessantes Unternehmen.
wohndesigners: Wie war es von den Produkten her?
T. Feichtner: Vom Portfolio her haben wir am Anfang vielleicht gar nicht so gut zusammengepasst, aber von der Philosophie her hat ANREI ein ganz schlüssiges Konzept, das mit unserer Einstellung zu Design sehr gut zusammenpasst. Wir sind auc der Meinung, dass Design und Unternehmen gar nicht so weit voneinander losgelöst sind. Uns widerstrebt der Gedanke, dass hier jemand etwas entwirft und jeder x-Beliebige das auf der anderen Seite des Erdballs nachproduzieren kann. Wir suchen die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen und einem Unternehmer und da haben wir uns auch gefunden. ANREI ist sehr authentisch, echt, real und stark in Österreich verankert. Das hat uns überzeugt.
wohndesigners: Wie kam es nun zu Fino?
T. Feichtner: ANREI arbeitet ja nur mit Massivholz. Das ist natürlich sehr schön, gleichzeitig ist es aber auch ein Holz, das lebt und ganz andere Voraussetzungen in der handwerklichen Verarbeitung hat. Die Konstruktion muss so gemacht werden, dass sich das Material bewegen kann, gleichzeitig hat Massivholz auch immer dieses Massive an sich. Diese Wuchtigkeit wollten wir ihm nehmen, es leichter machen, auch visuell. Daher war es interessant, dem Produkt eine Fase zu geben, eine Licht- und eine Schattenkante sozusagen. Auch die Trennung von Platte und Unterteil ist eines der Gestaltungsmerkmale, die ein Produkt leichter aussehen lassen und zarter machen.
wohndesigners: Ist das Spiel mit Licht und Schatten ein essenzielles Designmerkmal?
T. Feichtner: Für mich schon, ganz egal was ich gestalte. Ich bin nicht sehr farbenaffin, dafür aber sehr Licht- und Schatten-affin. Bei meinen Produkten versuche ich das mit Seiten und Flächen zu machen, die dem Licht zu- und abgewandt, wodurch ein Hell-Dunkel-Effekt entsteht. Das macht’s auch vom Gestalterischen her spannend.
wohndesigners: Die Kollektion war auf der imm in sehr farbenfroher Version zu sehen. Wie kommen Sie damit zurecht?
T. Feichtner: Es war ein Versuch, sich von den dominierenden Erd- und Grautönen ein bisschen zu befreien, einmal mit anderen Farben aufzuwecken und auf der Messe damit aufzublitzen. In der Möbelkollektion selbst besteht natürlich die breite Farbenvielfalt, die ANREI anbietet.
wohndesigners: Wie groß war die Zeitspanne von der ersten Idee für „Fino“ bis zum finalen Produkt?
T. Feichtner: Zirka ein halbes Jahr.
wohndesigners: Das ist durchaus kurz.
T. Feichtner: Richtig, aber es war einfach eine sehr gelungene, auch sehr energiegeladene Zusammenarbeit.
wohndesigners: Designprozesse verlaufen allerdings nicht immer so linear wie erhofft. Gab es Schwierigkeiten bei „Fino“? Wo lag die Herausforderung?
T. Feichtner: Fino ist einfach geflossen. Es war eine sehr fließende Arbeit mit ANREI und ich habe es sehr genossen, dass wir das ein bisschen gemeinsam entwickelt haben. ANREI hat sehr früh Entwürfe übernommen und auch die eigenen Fertigungsmöglichkeiten mit hinein interpretiert. Das war sehr von Vorteil und das wünscht sich eigentlich jeder Designer. Denn oft gibt es Dinge, bei denen ein Unternehmen eine Expertise hat und es ist natürlich optimal, wenn diese einfließt. So war es hier und es gab eigentlich keine Probleme, wir haben dabei aber gelernt, dass sich Massivholz auf eine große Länge doch sehr stark bewegt. Zum Beispiel hatten wir einmal eine Fuge, wo wir keine haben wollten – eine „Überraschungsfuge“ sozusagen. Solche Kleinigkeiten hat es schon gegeben, aber im Vergleich zu anderen Projekten ist es wirklich sehr flüssig gelaufen.
wohndesigners: Welches ist Ihr ganz persönliches Highlight an der Kollektion?
T. Feichtner: Vielleicht der Sekretär. Es war am Anfang gar nicht so im Fokus, hat sich erst heraus und dann immer mehr zu einem zentralen Stück entwickelt, der die Kollektion widerspiegelt. Mir persönlich gefällt auch der Hocker sehr gut, weil er formal alle Dinge der Kollektion aufnimmt: Er hat diese Fase, die nach innen gesetzten Beine, die Radien. Formal vereint er alles in sich und ist trotzdem ein kompaktes Stück, ein Archetyp der Kollektion, wenn man so will.
wohndesigners: Sie sind auch in der Lehre tätig. Welchen Rat würden Sie einem jungen Designer mit auf den Weg geben?
T. Feichtner: Der erste wäre, seine Arbeit immer zu dokumentieren. Das hat mir keiner gesagt und die Hälfte der Dinge, die ich gemacht habe, sind undokumentiert verhallt.
Der zweiten Rat wäre, nicht der allgemein geläufigen Vorstellung von einem Designer zu folgen. Der neue Designer ist einer, den es noch nicht gibt. Man sollte sich also an nichts anlehnen, ehrlich zu sich selber sein, den eigenen Weg konsequent und selbstbewusst zu beschreiten. Die Welt besteht aus tausenden von Designern und man muss kein Bauchladen-Angebot haben um allen gerecht zu werden, sondern erst mal seinen Ansprüchen genügen.
Den dritten Rat, den ich geben könnte, würde, ist: Design ist eine Disziplin, für die man Verbündete braucht. Man muss sie mit anderen gemeinsam machen, auch wenn man wie ich alles selbst gestaltet. Man muss respektvoll mit anderen gemeinsam Dinge erarbeiten können und in diese Leute hinein hören, mit offenen Augen und Ohren in Projektehineingehen, lernbereit und auch teamfähig sein.
wohndesigners: Wie schaut es mit Netzwerken aus?
T. Feichtner: Das Netzwerk kommt von selber. Mein Rat: Nicht netzwerken, sondern nur mit Freunden arbeiten. Wenn man den gemeinsamen spirit hat, dann macht es Freude und Spaß. Und wenn man schon so viel Zeit – und das gehört auch zum Design dazu: Ein gewisses Maß an Selbstaufgabe – da mit einbringt, dann sollte man das wenigstens mit Leuten tun, mit denen es Spaß macht.
Thomas Feichtner wurde in Vitória (Brasilien) geboren, absolvierte in Düsseldorf die Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz und startete nach Beendigung des Studiums Industrial Design sein eigenes Designbüro. Er arbeitete mit zahlreichen internationalen renommierten Unternehmen zusammen, war bei Ausstellungen in so gut wie allen Designmetropolen der Welt präsent und seine Arbeiten fanden Eingang in verschiedene Designsammlungen. Unter der großen Anzahl an Designpreisen findet sich unter anderem die Auszeichnung mit dem Österreichischen Staatspreis für Design im Jahr 2011. Gemeinsam mit seiner Frau Simone lebt und arbeitet er in Wien.