Alles außer konventionell
Es gibt sie, die kleinen, aber umso kreativeren Labels, die jenseits der Masse mit alternativen Konzepten punkten. Genau so eines ist „Handgedacht“. Gekonnt bewegt sich das junge Unternehmen aus Wien zwischen Planung und Spontanität, Möbelentwurf und Innenraumkonzept, Tischlerhandwerk und Design. „Wir nennen uns Gestaltungsbüro & Tischlerei und stehen ganz klar für gestalterische Vielfalt“, so Martin Aigner, BA, einer der drei Geschäftsführer.
Von Sylvia Pilar
Seit wann gibt es „Handgedacht“ und wie kam es dazu?
Wir sind seit gut drei Jahren aktiv. Wir sind drei Gesellschafter, alle drei Tischler und arbeiten in unserer Werkstatt, ich bin aber eher derjenige, der sich dem Design widmet. Benjamin Sodemann und ich haben uns während des Studiums zufällig kennen gelernt, aus den Augen verloren und dann wieder getroffen. Ich habe mich in seine Werkstatt eingemietet und bei einem seiner Projekte haben wir dann erstmals zusammen gearbeitet. Moritz Schaufler war bereits in unserer Werkstatt, wir haben uns öfters getroffen und schlussendlich ist der Entschluss gefallen, gemeinsam „Handgedacht“ zu gründen.
„Uns zeichnet aus, dass wir Funktionalität in die räumliche Substanz bringen.“
Liegt der Schwerpunkt auf der Möbel- oder der Innenraumgestaltung?
Intern haben wir drei Geschäftsmodelle definiert, die wir anbieten. Erstens die Tischlereiarbeit, wie man sie kennt. Diesen Bereich haben wir „Classic“ getauft, den zweiten „Creative“. Dieser bewegt sich zwischen Möbelentwurf und Innenraumkonzept, größere Lösungen sind gefragt. Beispielsweise haben wir ein Büro für eine Filmproduktionsfirma gestaltet, dafür ein freches Konzept erstellt, das schnell umgesetzt wurde und super gelungen ist. Das dritte ist ein Alternativ-Konzept: „Patchwork Design“. Dabei geht es darum, dass der Kunde auch Eigeninitiative aufzeigt. Ein Beispiel dafür ist eine WG, die eine Küche wollte. Wir haben das Konzept erstellt, sie ihrerseits eine für Budget und Raum passende Küche organisiert, die wir dann aufgebaut und die Lücken spontan mit entsprechenden Möbel gefüllt haben. Das ist zwar nicht unser Hauptbrot, aber cool und trifft den Zeitgeist.
Welche sind dann eure Hauptbereiche?
Die ersten beiden, während wir bei Patchwork Design ein schnelleres Tempo in der kreativen Entscheidungsfindung haben und dadurch ganz simple Lösungen entstehen. Grundsätzlich gibt es natürlich auch dafür einen Masterplan, in dem die Funktionen eingezeichnet sind und wodurch der Materialbedarf klar ist, alles andere kann durchaus vor Ort passieren, auch der Möbelbau. Da wir ein kleiner Betrieb sind, gehen bei uns Planung und spontanes, kreatives Arbeiten überhaupt meistens Hand in Hand.
Objekte oder Projekte – welcher Bereich macht mehr aus?
Das hält sich in etwa die Waage, auch vom Umsatz her. Ich merke aber, dass unsere Raumnutzungskonzepte immer mehr nachgefragt werden und vor allem unsere Kompetenz für kreative Ideen geschätzt wird.
Ist das auch die Richtung, in die ihr wollt?
Wir nennen uns Gestaltungsbüro & Tischlerei und stehen ganz klar für gestalterische Vielfalt. Meine Passion ist der Gestaltungsbereich und es ist uns wichtig, dass jedes Projekt neu gedacht wird. Natürlich entwickeln wir technische Details nicht immer neu, somit ist ein gewisser gestalterischer Weg sichtbar, grundsätzlich denken wir die Gestaltung aber immer neu.
„Wir analysieren Raumsituationen und gestalten Nutzungsmöglichkeiten, die zum Kunden passen, andererseits macht uns das spontane Agieren in diesen Nutzungskonzepten aus. Gestaltungsbüro und Tischlerei greifen bei uns wirklich ineinander.“
Gibt es einen kleinsten gemeinsamen Nenner bei all der Gestaltungsvielfalt?
Uns zeichnet aus, dass wir Funktionalität in die räumliche Substanz bringen. Wir können einen sehr kleinen Raum so gestalten, dass er wahnsinnig gut nutzbar ist. Wir analysieren Raumsituationen und gestalten Nutzungsmöglichkeiten, die zum Kunden passen, andererseits macht uns das spontane Agieren in diesen Nutzungskonzepten aus. Gestaltungsbüro und Tischlerei greifen bei uns wirklich ineinander.
Wie würdest du eure Designsprache beschreiben?
Sie reicht vom großen Ganzen bis zum kleinen Detail. Wir überlegen die Raumnutzung genauso wie Detaillösungen. Unsere Grammatik ist zwar sehr technisch, unser Sprache hat aber einen besonderen ästhetischen Reiz. Es ist schwer, einzuordnen und zu beschreiben. Unsere Designsprache ist minimalistisch, dann aber auch wieder nicht. In sich sind unsere Produkte schon reduziert, gestalterisch aber sehr spannend. Am Anfang steht bei uns ein analytischer Grundriss und es werden Gedanken gesponnen. Die Ideen können dann schon verspielt, lustig, schräg sein, dann werden sie wieder abgespeckt, Unnötiges fällt weg und am Schluss bleibt die pure Idee, die umgesetzt wird.
„Unsere Grammatik ist zwar sehr technisch, unser Sprache hat aber einen besonderen ästhetischen Reiz.“
Und wo findet ihr eure Inspirationen?
Meistens in der Funktionalität von Grundrissen. Es ist eine technische Aufgabe, das Körpergefühl, also wie man sich in dem Raum bewegt und lebt, gibt die Planung vor. Das klingt weniger kreativ, ist es aber nicht. Die Ideen selbst entstehen viel durch Spontanität und aus dem Arbeiten heraus. Ich glaube, dass unsere Entwürfe durch die räumliche Funktionalität und die Detaillösung in den Möbeln selbst leben, und diese entstehen einfach durch Machen und Ausprobieren.
Wo seht ihr eure Zielgruppe?
Derzeit ist es eher die „grüne Mittelschicht“. Ein bisschen die alternative Szene, Menschen, die über den Tellerrand hinaus schauen und denken. Wir haben auch ältere Kunden, die Meisten sind aber in unserem Alter. Das Wichtigste ist aber, dass sich die Kunden verstanden fühlen. Dahin investieren wir viel Zeit. Wir haben daher längere Vorlaufzeiten und eingeführt, für Planungen Geld zu verlangen, weil eben viel Zeit drinnen steckt. Von der Preisklasse her sind wir zwar nicht ganz unten angesiedelt, aber auch nicht ganz oben, sondern gutes Mittelfeld, aber der Mehrwert, den wir bieten, ist eben unsere Dienstleistung mit intensiver Beratung. Wenn man beispielsweise eine Küche plant, geht es ja nicht nur darum, wie die Schubladen aufgehen, sondern wie gekocht wird, wer kocht, wo die individuellen Prioritäten liegen. Das sind unendlich viele Fragen, die nicht alle direkt gestellt werden, sondern sich die Antworten im Gespräch ergeben.
Wie kommt ihr zu euren Kunden?
Hauptsächlich über die Weiterempfehlung und über die Website, einige entdecken uns einfach. Wir setzen uns eben schon sehr von anderen Tischlern ab. Es gibt wenige, vor allem in Wien, die dieses breite Portfolio anbieten. Unser Alleinstellungsmerkmal ist ja auch, dass wir nicht nur die Planung, sondern auch die Produktion hier vor Ort haben.
Ein Blick in die Zukunft: Wo seht ihr euch in fünf oder zehn Jahren?
Natürlich wünschen wir uns ein stabiles Auftragsfeld und arbeiten mit Erfolg daran. Ein Ziel ist es auch, dass „Handgedacht“ als Gestaltungsbüro und Tischlerei in Wien ein echter Begriff ist. In der Szene kommen wir gut an, sind für unsere unkonventionellen Konzepte dafür, dass wir anders denken und anderes handeln, bekannt.
Ich möchte „Handgedacht“ aber nicht nur als Dienstleistungsbüro und Tischlerei verstanden wissen, sondern auch als Unternehmen, das ein Stück weit die Weichen für die Zukunft des Handwerks stellt.
„Gestaltung kann gut sein, ohne teuer zu sein.“
Inwiefern? Gibt es schon Ideen?
Spannend fände ich eine Ausstellung, für die Handwerksbetriebe aus Wien ein vorgegebenes Möbel wie zum Beispiel eine Garderobe bei gleichem Budget und gleichen Maßen gestalten, das dann produziert und mit allen andere präsentiert wird. Dies könnte aufzeigen, wie Tischlereien heute produzieren und das Handwerk als Vielfalt präsentieren.
Eine zweite Idee ist ein Projekt, das Tischlereiprodukte breiter zugänglich macht und zugleich auf die regionale Produktion durch Tischlereien in der Nähe des Kundenwohnortes fokussiert, wobei selbst kleine Betriebe die Möbel mühelos fertigen können. Der Maschinenpark als kleinster gemeinsamer Nenner aller Betriebe ergibt dann die Designsprache, die zugleich die gestalterische CI ist. Die Vermarktung und der Verkauf finden auf einem Onlineshop statt, mit einem Unterschied zu normalen Shops: Auf einer Map sucht man sich den produzierenden Tischler aus.
Mit diesem Projekt könnte, wie auch mit der Ausstellung, das Handwerk in den Mittelpunkt gerückt und damit aufgeräumt werden, dass Handwerksprodukte nicht dem Design-Zeitgeist entsprechen oder teurer sind. Gestaltung kann gut sein, ohne teuer zu sein.
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