Skandinavische trifft Wiener Moderne
Die aus Lappland stammende, in Stockholm arbeitende Designerin Monica Förster ist eine internationale Größe. Zuletzt hat sie eine Kollektion für Wittmann entworfen.
Von Harald Sager
Sie haben die Melange-Kollektion aus Sofa, Loungechair und Beistelltischen für Wittmann geschaffen, die heuer im Frühling vorgestellt wurde. Wie kam die Zusammenarbeit mit Wittmann zustande?
Ich hatte Hartmut Roehrig kennen gelernt, als er noch bei Walter Knoll war. Wir hatten damals ein gutes Gespräch über Design im Allgemeinen, und mir gefiel sein sozusagen humanistischer Blickwinkel. Als Hartmut dann Geschäftsführer von Wittmann wurde, rief er mich an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit Wittmann zusammenzuarbeiten.
Wie würden Sie die Melange-Kollektion beschreiben? Was sind ihre Leitideen?
Ich hatte zunächst keine Vorstellungen. Ich fuhr nach Wien, um mich auf die Wiener und österreichische Tradition in Kunst, Design und Architektur einzuschwingen, insbesondere auf die kulturellen Strömungen der Wiener Moderne, die Jahrhundertwende, den Jugendstil und die Wiener Werkstätte. Das nahm Einfluss darauf, wie ich an die Details und Proportionen der Kollektion heranging.
„In meinem Studio arbeiten wir an Ideen und Konzepten und haben dabei immer die Frage ,was bezwecken wir damit?‘ im Hinterkopf.“
Wie haben Sie Ihre Zusammenarbeit mit Wittmann erlebt, wie finden Sie das Unternehmen?
Ich arbeite sehr gerne mit Firmen, die eine lange Geschichte haben – was ja bei den Wittmann Möbelwerkstätten, die es seit mehr als 120 Jahren gibt, der Fall ist. In meinem Studio findet viel Recherchearbeit statt, ehe wir mit einem Hersteller neu zusammenzuarbeiten. Für mich ist dessen Tradition und Vision immer der Ausgangspunkt. Wittmann ist eine Manufaktur, die viel handwerkliches Wissen und Können in sich vereinigt: So ein durchschnittliches Möbelstück benötigt dort etwa 150 Arbeitsschritte, die meisten davon von Hand! Und das Ganze ist bis ins Kleinste hinein sauber und mit viel Aufmerksamkeit fürs und bis ins Detail hinein gearbeitet. Man kann mit Wittmann ziemlich einzigartige Projekte realisieren.
Wie würden Sie Ihren eigenen Designstil charakterisieren?
Ich habe keinen „Stil“ und schon gar kein „Styling“. In meinem Studio arbeiten wir an Ideen und Konzepten und haben dabei immer die Frage „was bezwecken wir damit?“ im Hinterkopf. Wir haben allerdings einen ausgeprägten Sinn für pure Formen und viel Neugierde für neue Materialien und Technologien.
Haben Sie eine eher technische, materialorientierte Herangehensweise an Design oder eine mehr „kreative“?
Bei mir steht die Idee an erster Stelle. Material, Farben und Formen müssen sich der Idee anpassen. In unserem Studio geht es in erster Linie um den kreativen Prozess – was nicht heißt, dass wir nicht auch die technischen Aspekte in diesen mit einbeziehen würden.
Haben Sie Vorbilder in puncto Design? Sind Sie von Designern beeinflusst worden, stehen Sie in bestimmten Traditionen, beispielsweise in jenen Ihrer Heimat nahe am Polarkreis?
Direkte Vorbilder habe ich nicht. Was mich inspiriert, kann schlechterdings von überallher kommen: von Menschen, die ich treffe, von Reisen, von einer Lektüre … Einige meiner Designarbeiten sind sicher von meiner nordschwedischen Heimat beeinflusst. Und als ich an der Melange-Kollektion arbeitete, las ich Edmund de Waals Familienbiographie „Der Hase mit den Bernsteinaugen“, in der die Atmosphäre im Wiener Großbürgermilieu der Jahrhundertwende eingefangen wird.
„Einige meiner Arbeiten sind sicher von meiner nordschwedischen Heimat beeinflusst.“
Sie arbeiten viel für den und mit dem bosnischen Hersteller Zanat. Was ist so besonders an diesem Unternehmen?
Das Speziellste daran ist mittlerweile, dass wir alle Freunde geworden sind. Designerische Arbeit ist in bestimmter Weise eine sehr humane und geradezu humanistische Angelegenheit. Sie bringt Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt zusammen und hilft mit, Brücken zwischen den verschiedenen Kulturen zu bauen. Zanat ist aber natürlich auch aus designerischer Sicht interessant, weil man dort die traditionelle Schnitzkunst der Region – die übrigens im Vorjahr auf die Unesco-Liste des immateriellen Welterbes gesetzt wurde – weiterhin pflegt und weiterentwickelt und mit der Design-Avantgarde unserer Zeit verbindet.
Sie haben ein Studio in Stockholm mit mehreren Mitarbeitern. Wie werden neue Projekte erarbeitet?
Der Faden, der sich sozusagen durch alle Projekte zieht – das bin ich selbst. Aber das Team ist in die meisten Entstehungsphasen involviert. Wenn wir ein neues Projekt bekommen, recherchieren wir zunächst, fertigen Skizzen an und basteln kleine Modelle aus Papier und Klebeband. In der nächsten Phase wandert das Ganze als CAD in den Computer, es werden 3D-Drucke ausgedruckt und parallel Modelle von Hand gemacht. Allfällige Fehler, die während des Entstehungsprozesses unterlaufen, können durchaus auch produktiv genützt werden. Für mich ist das eine sehr organische und präzise Form des Arbeitens.
Über Monica Förster
Die im schwedischen Lappland, nahe am Polarkreis, geborene Monica Förster ist eine der Top-Designerinnen ihres Landes. Mit ihrem Stockholmer Designstudio hat sie für Firmen wie Volvo, Tecno, Alessi, Cappellini, Poltrona Frau, De Padova, Bernhardt, Whirlpool, Georg Jensen, Eric Joergensen, offecct, Swedese und Rörstrand gearbeitet. Ein Anliegen ist ihr die Erhaltung und Weiterentwicklung traditionellen Kunsthandwerks im Möbelbau. Hier setzt sie sich insbesondere für die bosnische Firma Zanat ein, deren regionale Schnitzkunst in die Unesco-Liste des immateriellen Welterbes aufgenommen worden ist. Arbeiten von Monica Förster haben Eingang in die Sammlungen des Museum of Modern Art in New York und des Victoria & Albert Museums gefunden und firmierten im International Design Yearbook. Monica Försters Melange-Kollektion, ihre erste Arbeit für Wittmann, ist in diesem Frühjahr vorgestellt worden.
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