Licht ist ein unendliches Thema
Der gebürtige Wiener Christian Ploderer hat lange Zeit Leuchten entworfen, ehe er sich vornehmlich auf Lichtplanungen verlegte. Damit ist er ganz im Einklang mit seiner Branche, die den Hauptfokus aufs Licht selbst und dessen Wirkung auf den Raum verlagert.
Von Harald Sager
Sie haben lange als Leuchtendesigner gearbeitet und machen heute hauptsächlich Lichtkonzepte und -planungen für Bürogebäude, Lokale, Restaurants usw. Wie kam es dazu?
Ich habe nach meinem Industriedesign-Studium zunächst Produkte entworfen. Was mir daran vor allem gefiel, war die Abwechslung, die Vielfalt der Aufgaben. Nach ein paar Jahren hatte ich aber den Wunsch, mich auf einen bestimmten Bereich zu spezialisiere. Licht ist, wenn man sich ein wenig darin vertieft, ein unendlich großes Thema.
Ich entwarf dann als Kreativleiter der Fa. Vest Leuchten gut zehn Jahre lang Leuchten, beschäftigte mich aber zugleich auch mit Lichtberatung und -planung. Später verlegte ich mich in erster Linie auf Letztere, das heißt Lichtkonzepte für Bürogebäude, Restaurants, Lokale usw. im Rahmen von Architekturprojekten. Als ich damit begann, war es noch nicht üblich, sich in der Raumplanung eingehender mit dem Licht selbst zu beschäftigen. Damals war das noch kein eigenes Thema – das hat sich in der Zwischenzeit geändert.
Das hat auch mit der technologischen Weiterentwicklung zu tun. Welche unter den zahlreichen Leuchtmitteltechnologien werden sich durchsetzen?
Bis vor einigen Jahren konnte man bei Lichtprojekten noch von einer Koexistenz verschiedener Leuchtmittel wie LED, Halogen, Metallhalogen, Sparlampe, Glühfaden, Natrium- oder Metalldampflampe sprechen. Heute nicht mehr, die LED-Revolution hat bereits stattgefunden.
Mittlerweile ist es keine Frage mehr, dass LED, also die Leuchtdiode, die führende Technologie ist. Andere Leuchten sind zu kurzlebig, werden zu heiß, flackern (etwa die Leuchtstoffröhre) … Nicht nur, dass LED ein Vielfaches länger hält: 30.000 Stunden bzw. 3 Jahre Garantie bei „Retro-LED“ auf bestehende Fassungen, 50.000 Stunden bzw. 7 Jahre Garantie bei „Voll-LED“ mit fixen Platinen; gegenüber der Glühbirne mit 700, der Halogenlampe mit 2.000 und der Leuchtstoff- bzw. Sparlampe mit 6.000-8.000 Stunden. Sie ist auch erstklassig steuerbar und hält die volle Bandbreite des Farbspektrums bereit. Beim Dimmen lässt sich neuerdings zugleich auch die Farbtemperatur senken.
„Mit LED lässt sich bereits jeder Lichtcharakter herstellen.“
Die nächste Ausbaustufe ist übrigens OLED, LED auf organischer Basis. Das Material wird aktuell in TV-Bildschirmen und iPhones verwendet, als Leuchtmittel ist es derzeit noch teuer. Aber es wird groß herauskommen, denn es hat bestechende Eigenschaften: Es wirft ein superweiches, annähernd schattenloses Licht; und es lässt sich in durchsichtige Scheiben wie zum Beispiel Schiebedächer oder Fenster einfügen, sodass diese tagsüber lichtdurchlässig sind und abends leuchten.
Was kann LED, was die anderen nicht können?
Sie können als Lichtdesigner damit tatsächlich alles realisieren, was Sie sich vorstellen – jeder Lichtcharakter, jede Stimmung lässt sich erzeugen. Ich habe die Leuchtmittel im Lichtdesign auch als eine Art „Malkasten“ verstanden, mit dem ich Lichtfarben „malen“ kann. Zuerst waren die verschiedenen Leuchtmitteltechnologien mein Instrumentarium.
Mit LED steht mir heute das volle Spektrum der Farbtemperaturen in einem Leuchtmittel zur Verfügung, diese Palette hat sich wesentlich erweitert. Das ist natürlich ein immenser Vorteil. Andererseits sind damit aber mehr Parameter zu berücksichtigen, sodass ich ganz genau wissen muss, welche Lampe mit welcher Lichtfarbe ich wo und zu welchem Zweck einsetzen will.
„Als ich mit Lichtplanung begann, war es noch nicht so üblich, sich im Rahmen der Architekturplanung mit dem Licht selbst zu beschäftigen.“
Vieles an meiner Arbeit ist sozusagen unsichtbar und vermittelt sich in erster Linie über das Licht im Raum. Das hängt mit der LED-Technologie zusammen, die das Augenmerk automatisch weniger auf die Leuchte lenkt als auf das Licht, das im Raum entsteht. Ein toller, ausgefallener Lüster gibt dann dem Raum nur noch zusätzlichen Objektcharakter, er bestimmt aber nicht dessen Licht.
LED hat auch einiges an Umstellung mit sich gebracht, oder?
Die Schwierigkeit bestand in den letzten Jahren vor allem darin, das Leuchtmittel so zu adaptieren, dass es in die bestehenden alten Leuchten hineinpasste. Aber das ist mittlerweile fast vollbracht.
Auch die Designer stellten sich um: Ich selbst stellte ab 2005 fest, dass meine ganze Erfahrung mit Leuchtmitteln durch die LED-Revolution ausgelöscht wurde. Ich musste mich mit dieser Technologie erst vertraut machen, und ich gestehe, dass mir das anfangs nicht sehr lag. Meine Lehrer auf der Akademie waren ja auch in erster Linie Kreative gewesen. Ein Hollein beispielsweise interessierte sich nicht für die technischen Aspekte des Lichts, sondern setzte seine Vorstellungen intuitiv um. Aber ich kam bald drauf, dass es ohne vertieftes technisches Wissen nicht geht: Man kann nicht erwarten, bestimmte Raumwirkungen zu erzielen, ohne zu wissen, wie es funktioniert. Also habe ich mir das Wissen eben angeeignet.
„Vieles an meiner Arbeit ist sozusagen unsichtbar und vermittelt sich in erster Linie über das Licht im Raum.“
Da es sich bei der Leuchte um ein sowohl technisches als auch kreatives Objekt handelt: Haben Sie eine mehr technische oder mehr kreative Herangehensweise an Design? Wie entstehen Ihre Arbeiten, am Computer oder zeichnen Sie?
Meine Lehrer wie Hollein, Sottsass oder Mendini waren sehr kreative Leute, das hat mich natürlich beeinflusst. Und das hieß: zeichnen. Aber dann begann ich, auf dem Rechner zu arbeiten. Heute arbeite ich für Architekturbüros, die wiederum ihre Aufträge von Endkunden/Bauherren bekommen, und da liefert man technische Zeichnungen ab, die am Computer entwickelt werden. Aktuell zeichne ich aber auch wieder mehr, weil die Auftraggeber Zeichnungen mögen. Und ich selbst gelte ja in der Branche als eher künstlerischer Lichtplaner. Daher ist das Zeichnen mit Bleistift und Papier für mich jetzt wieder wichtiger geworden.
Greifen Sie bei Ihren Planungen auf bestehende Lichtsysteme von Herstellern zurück oder werden diese sozusagen maßgeschneidert?
Sowohl als auch. Es kommt immer wieder vor, dass ich mir eine spezielle Leuchte vorstelle, die es auf dem Markt so nicht gibt. Dann designe ich sie eben als Sonderanfertigung – das hat mich verstärkt wieder ins eigentliche Produktdesign zurückgeführt. Das Gleiche gilt für Leuchtmittel, so habe ich für ein Projekt eine neue Lichtfarbe mit einem besonders niedrigen Kelvinwert von 200 anfertigen lassen.
Ist das Licht in Bürogebäuden der Tageszeit anpassbar?
Das ist es, und es geschieht auch, man nennt es biodynamische Beleuchtung. Dabei wechseln die Helligkeit und die Lichtfarbe im Büro synchron zum jeweiligen Tageslicht. Ich bin noch nicht überzeugt, finde es eigentlich irritierend. Ist unser Leben nicht ohnehin schon „dynamisch“ genug? Meine Theorie ist, dass Innen- und Außenlicht verschieden sind und das auch bleiben sollten.
„Vieles an meiner Arbeit ist sozusagen unsichtbar und vermittelt sich in erster Linie über das Licht im Raum.“
Einige herausragende Lichtprojekte, die Sie in den letzten Jahre realisiert haben?
Da wäre aktuell die Lichtplanung der neuen Post am Rochus im 3. Bezirk zu erwähnen, die dieser Tage eröffnet wird. Oder das Bürogebäude Telegraf 7 in der Lehargasse. Sowie zahlreiche Restaurants, Clubs, Locations: so etwa das neue Wein + Co auf der Jasomirgottstraße, das Fabios, Restaurant und Bar des Hotels Le Méridien, das Kantinenrestaurant Iki und andere Projekte am Erste Campus und der Cateringpavillon im Schlosspark Grafenegg. Aber grundsätzlich mache ich keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Aufträgen. An der Postzentrale arbeite ich seit drei Jahren; die Küchenbeleuchtung für einen Freund habe ich in einem Tag geplant. Für mich ist beides wichtig. Mich hat immer die Vielfalt, die Abwechslung interessiert – das gilt auch für die Projekte, in die ich involviert bin.
Wie sehen Sie Ihren eigenen Stil?
Ich lasse die übliche Unterscheidung zwischen eher kühlem Licht im Büro und eher warmem, heimeligem zu Hause nicht gelten. Ich mische gerne, und wenn man verschiedene Lichtquellen im Raum hat, kann man das machen. Beispiel Büroräumlichkeiten mit direktem Licht von der Decke hinunter und indirektem von unten an die Decke: Da arbeite ich gerne – was nicht üblich ist – mit unterschiedlichen Lichtfarben, die jedoch in der Summe einen Idealwert von 3.500 Kelvin ergeben. Aber ich bleibe gerne im Weißbereich, dem Spektrum dessen, was man „tunable white“ nennt. Phantasiefarben wie gackerlgelb, violett oder hellrot – das ist nichts für mich.
Zu Christian Ploderer
Christian Ploderer, geboren 1956 in Wien, studierte Industriedesign an der Universität für Angewandte Kunst in Wien bei Hans Hollein, Ettore Sottsass, Mario Bellini, Alessandro Mendini und Hermann Czech. Ploderer arbeitete im Interior-, Grafik- und Produktdesign, ehe er sich auf den Lichtbereich – Leuchtendesign und Lichtplanungen – spezialisierte. Von 1985 bis 2009 hatte er die Kreativleitung von Vest Leuchten Wien inne. Heute arbeitet er in erster Linie in der Lichtkonzeption und -planung sowie in der Produktgestaltung für Hersteller und entwirft projektbezogene Einzelobjekte.
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