Mit Holz, Filz und viel Gefühl
Das Leuchten in den Augen spricht für sich: Christian Lutz, Student an der New Design University in St. Pölten, zeigt mit „I FELT OAK“ auf – und das in Kürze auch auf internationalem Design-Terrain. Seine Kreation ist bei der Österreich-Ausstellung im Zuge des „Salone del Mobile“ zu sehen und punktet mit ihrer Formensprache, dem Materialmix und Multifunktionalität. WOHNDESIGNERS hat beim ambitionierten Jungdesigner mit Leidenschaft für Holz nachgefragt.
Ein Interview von Sylvia Pilar
Du studierst noch, bist aber heuer schon in Mailand mit dabei. Mit welcher Kreation?
Mein Werk heißt „I FELT OAK“. Die Doppeldeutigkeit ist klar: Einerseits die Emotion, andererseits die drei Komponenten, die in ihm stecken, also ich, das Fühlen und das Material.
Was war der „starting point“ für die Kreation?
Der Ausgangspunkt war die Beschäftigung mit den Grundmaterialien Holz und Filz. Primär war es das Massivholz, das bei einem Projekt an der New Design University in St. Pölten mit GEA im Fokus stand. Ziel und Aufgabe war es eigentlich, nachhaltige Massivholzmöbel herzustellen. Ich habe mich aber von Anfang an entschieden, eine Arbeit für das Portfolio zu machen, mich dabei aber natürlich im Rahmen des Seminars an die grundlegende Vorgabe, einen Paravent oder einen stummen Diener zu gestalten, gehalten, bin aber nicht in deren Formensprache gegangen. Stattdessen habe ich mit „I FELT OAK“ ein Möbel gestaltet, das meinem Geschmack entspricht. Es war quasi auch der erste Start in die Richtung, in die ich gehen möchte.
Wie war der Designprozess
Es ist ziemlich rasch gegangen, wir hatten ja nur vier Monate Zeit. Einer der wichtigsten Inputs war der Formenworkshop mit Moya Hoke, die mich auf Filz gebracht hat. Mit diesem ‚textilen Zugang‘ habe ich mir am Anfang schwer getan, weil ich Feuer und Flamme für das Tischlern bin. Seit eineinhalb Jahren mache ich daher auch eine Ausbildung in Richtung Tischler auf Gesellenniveau, wie es von der NDU angeboten wird. Aber dieser Workshop hat mich damals Filz gegenüber geöffnet. Ein ganz früher Entwurf war mit Leder, das hätte aber nicht funktioniert. Es wäre zu dünn gewesen und im Kontrast gestanden zu der Massivität des Holzes. Da geht bei Filz mehr. Er ist dicker und es ist vom Gefühl ganz anders.
Woher kommt deine Liebe für Holz? Hast du früher schon in dem Bereich gearbeitet?
Eigentlich habe ich Kunstgeschichte in Wien studiert und mich dann dazu entschieden, noch einmal neu anzufangen und den Studiengang Design, Handwerk & materielle Kultur (Manual & Material Culture“) an der NDU in St.Pölten begonnen, wurde dort mit offenen Armen empfangen und bekomme dort viel Input, Unterstützung und Förderung durch die Lehrenden. Ich habe meinen Platz gefunden mit und in der Ausbildung, die auf drei Beinen steht: Design, Holzhandwerk und Unternehmerausbildung. Man lernt einfach viele Facetten kennen.
Was interessiert dich am meisten?
Das Interessanteste für mich ist das Material, die Beschäftigung mit Holz. Wenn ich in der Holzwerkstatt stehe, bin völlig eins mit mir und kann mir in Ruhe die nächsten Schritte überlegen. Das hat eine eigene Faszination. Der Planungs- und Designprozess ist das Spannende, dass wild in jede Richtung weitergedacht werden kann. Oft ist es so, dass ich vor einem fertigen Objekt stehe, das einfach aus dem Entwurfsprozess heraus passiert ist – nicht à la vision, sondern durch trial and error.
Wie war es bei „I FELT OAK“?
Ich habe mich damals sehr für Modularität interessiert, andererseits waren die Vorgaben klar. Der Ausgangspunkt war auch die Überlegung, warum es Paravents nicht mehr gibt oder höchstens als Deko-Objekte. Für mich war die Antwort, dass sie zu wenig Funktionalität haben und mein gedanklicher Startpunkt für das Projekt die Frage, was passiert, wenn ein Objekt den Charakter einer Wand hat und gleichzeitig die Nützlichkeit eines Regals. Denn Stellflächen hat man nie genug und wenn, sind sie meist so hart in Form gegossen, dass sie stark an Nützlichkeit einbüßen. So bin ich dann zur Modularität gekommen, habe die Idee des Paravents aufgegriffen, aber eben in der Funktion eines Regals. Ein spannender Schritt war jener von der Wand zu einer Filzsäule, die sich mit einem Handgriff öffnen lässt. Für mich war das Spiel von Öffnen und Schließen interessant, verschiedene Laufwege der Fläche zu erschaffen und die Möglichkeit, das Objekt individuell umzugestalten. Der Besitzer, der Bauherr will ja eingreifen können in das Architektonische der Wand und das ist damit möglich.
Ist es also quasi auch ein architektonisches Stilelement?
Das mobile Wandgefüge kommt wieder ganz anders zum Tragen. Je nachdem von welcher Seite man sich dem Objekt nähert, gibt es eine ganz andere Aufnahme davon. Wenn man sich einer Filzwand nähert, hat sie einen organischen Geborgenheitscharakter. Tritt man von der anderen Seite heran, hat es eine gewisse Transparenz, man kann durchschauen obwohl es ein Regal ist, und Dinge ablegen. Dieses Zwischenspiel, diese Gegenpole haben mich stark interessiert und diese gestalterisch umzusetzen war dann doch eine große Herausforderung.
Worin lag die Challenge?
Es war das erste Möbel, das ich gebaut habe, und ich habe lange über die optimale Holz-Verbindung nachgedacht, mit vielen Tischlern gesprochen und sie zu finden war ein wesentliches Moment. Erst dadurch war es möglich, das Objekt mit Filz zu bedecken. Die Verbindung ist der Knotenpunkt zwischen Filz und Holz. Sie ist das Geheimnis, das man entdeckt, wenn man das Regal verändert. Es ist also eine versteckte Qualität, die ganz wichtig ist. Dann kam der nächste Durchbruch mit der Erkenntnis, dass wenn der Filz dick genug ist, das Regal ganz leicht und von selbst stabil, aber zugleich flexibel ist.
Woraus besteht es genau und wie ‚funktioniert‘ es?
Einerseits gibt es einen „Turm“, der aus 30 mal 30 cm langen und breiten sowie 40 cm hohen Körpern besteht, die aufeinander stapelbar sind. Der Clou dabei ist, dass eine Seitenwand sowie die Oberfläche mit Filz bedeckt ist. Man kann es also traditionell aufbauen – auf der einen Seite nur eine Filzwand, auf der anderen Seite das Regal mit eingezogenen Böden -, aber auch mit nur einem Handgriff und einer Drehung des Kubus‘ oder der Kuben das Regal verändern und damit die Flächenrichtung, wie die Wand läuft.
Es gibt ja noch ein zweites Element.
Das zweite Objekt ist etwas größer. Es hat die doppelte Höhe, ist also 80 hoch, aber wie gehabt mit 30 mal 30 Grundfläche, aber keine Seitenfläche mehr, sondern eine eingelegte Filzschale, die eine komplett andere Funktion hat und andere Möglichkeiten eröffnet. Das Objekt hat also einen ganz anderen Charakter, eine andere Ästhetik und erweitert das Regal.
Hast du schon einen Produzenten oder suchst du einen?
Es wäre sicher spannend, mit einem Produzenten zusammen zu arbeiten und da bin ich offen. Interessant wäre es für mich allerdings, „I FELT OAK“ auch Tischlern zugänglich zu machen, so dass sie es regional produzieren und verkaufen können.
Wo siehst du es?
Als junger Mensch träumt man natürlich immer davon, internationale Wege zu beschreiten und dank der Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich darf ich mein Produkt jetzt auch in Mailand erstmals international herzeigen.
Genau: Bei der Österreich-Ausstellung im Zuge des „Salone“. Wie kam es dazu?
Durch die Nominierung unseres Studienprogrammleiters Univ.-Prof. (NDU) Mag.art. Stefan Moritsch. Wir waren als Klasse zuerst bei der VIENNA DESIGN WEEK, mit „Entfaltung – Wandelbare Möbel für GEA“ präsent, danach mit dieser der Ausstellung im stilwerk Wien. Dann wurden einige Werke für die Österreich-Ausstellung nominiert und meines ausgewählt. Das erste Gefühl war Freude, es ist aber auch eine Bestätigung, dass ich es richtig mache – und eine tolle Chance.
Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen fährst du nach Mailand?
Viele Leute kennen zu lernen, Personen mit derselben Begeisterung für Gestalten, Entwerfen, Funktionen, Formen, Schwierigkeiten und Emotionen. Ich traue mich nicht, zu erwarten, ein Werk zu verkaufen, aber es ist natürlich eine tolle Präsentations- und Werbemöglichkeit. Ich werde auch die ganze Woche vor Ort sein.
Hast du aktuelle Projekte, über die du sprechen darfst?
Eines bleibt noch geheim. Über ein anderes darf ich schon sprechen. Es ist das Abschlussprojekt der Tischlerausbildung auf Gesellenniveau: Ein Tisch, der aus einer speziellen Holzverbindung herausgearbeitet wird. Auch wieder aus Eichenholz. Er ist gerade in Produktion und wird gegen Ende dieses Semesters fertig.
Und was würdest du gerne einmal gestalten?
Vor allem Möbel. Das ist eine meiner größten Sehnsüchte, in diese Richtung weiterzugehen. Gerne entwerfen würde ich einen richtig guten Sessel. Aber ganz egal: Projekte sind immer spannend.
Siehst du dich selbst als Designer?
„Designer“ ist schwierig. Vielleicht trifft es „Designer-Anwärter“, weil ich mich als Student noch nicht abgeschlossen fühle. Aber ich sehe mich als Prototyper, als Prototypen-Produzent.
Wo siehst du dich dann in fünf oder zehn Jahren?
Auf jeden Fall als Designer. Ich habe Freude am Arbeiten, am Gestalten und ich will etwas schaffen. Ich glaube, das ist aussagekräftiger als eine Berufsbezeichnung.