Vom Reiz des Zwischenlüfters
Seit einigen Jahren schon zeichnet das Kölner Büro Ambrozus unter der Führung von Chef-Designer Stefan Ambrozus für das bereits vielfach prämierte Design der Ablufttechnik von berbel verantwortlich. Mit Wohndesigners sprach der leidenschaftliche Hobby-Bastler über die frühe Prägung durch den elterlichen Keller, den Reiz eines Zwischenlüfters und die Wichtigkeit des „Hinter die Kulissen-Blickens“.
Von Lilly Unterrader
Herr Ambrozus, Martin Ballendat erzählte in einem Vortrag, er begleite das Design eines Produktes von der ersten Idee bis zum ersten in der Werkstatt gefertigten Prototypen. Wie funktioniert bei Ihnen der Ablauf eines Produktdesigns? Von der Idee bis zur Umsetzung? Wie lange dauert so ein Prozess in etwa?
Prinzipiell kann ich das so bestätigen. Wenn wir mit einem Kunden eng zusammenarbeiten, uns so gut kennen, wie das etwa bei berbel der Fall ist, dann sind wir praktisch von Stunde Null eingebunden in den gesamten Prozess. Im Falle von berbel ist es sogar so, dass wir manchmal auch produktinitiierend sind. Wenn man einander so gut kennt, weiß man um die Belange der Marke und erkennt auch die Portfolio-Lücken.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Bei der Skyline haben wir lange diskutiert und dann dort eingesteuert, dass es statt einer Ablufthaube eine starke Umlufthaube wird. Dort sind wir zum Beispiel richtungsweisend tätig geworden.
Wie läuft dieser Prozess dann ab?
Wir kennen die technischen Rahmenbedingungen im Detail. Bei berbel etwa ist es ein Spezifikum, dass die Abscheidetechnik spezielle Bauräume braucht. Da haben wir natürlich Restriktionen, innerhalb dieser Parameter man dann gestalten kann. In weiterer Folge ist es ein schönes Ping-Pong-Spiel, das sehr demokratisch und auf Augenhöhe passiert. Wobei wir Technik und Kosten immer stets mit im Fokus haben, genau so wie die eigentliche Gestaltungslösung. Denn: Eine gute Gestaltungslösung ist für mich, nicht nur, dass ich das Produkt gestalterisch vertreten kann, es muss auch zu einem vernünftigen Preis herzustellen sein, es sollte unbedingt Mehrwert genieren und es muss technisch hervorragend sein. Wenn einer dieser Punkte fehlt, haben wir unsere Hausaufgaben gemeinsam nicht gut gemacht!
Was den Zeitraum betrifft, so ist dieser bei einem berbel-Produkt mindestens ein Jahr oder eineinhalb, dann gehen wir in Serie. Das ist stark produktabhängig, wir designen auch etwa für Grass Beschläge, da laufen Projekte länger, weil die Industrialisierung dahinter sehr aufwendig ist. Da kann es auch schon zwei oder drei Jahre dauern, bis ein Produkt in Serie geht.
„Wenn man einander so gut kennt, weiß man um die Belange der Marke und erkennt auch die Portfolio-Lücken.“
Worin genau liegt für Sie der besondere Reiz in der Gestaltung von Hausgeräten? Wo liegen die spezifischen Herausforderungen bei einem Dunstabzug etwa oder gar bei einem Zwischenlüfter, einem Gerät, das ja bewusst nicht in den Fokus des Betrachters rückt.
Wir haben eine gewisse Bandbreite an Produkten, die wir designen, wenn wir die ganze Zeit nur unsichtbare Produkte gestalten würden, wäre das wahrscheinlich frustrierend.
Bei den für den Konsumenten unsichtbaren Produkten ist es die Herausforderung, dass wir moderierend mittätig sind, dass wir Handhabung und Technik im Prozess des Designs hinterfragen. Eine Unterbau-Haube zum Beispiel muss in der Handhabung hervorragend sein, inkl. Montage und Installation. Da gucken wir wie ein Externer drauf, betrachten die ganze Wirkkette. Ist das state of the Art, ist das für die Monteure gut? Bis die Haube beim Endkunden hängt , müssen sich ja mehrere Menschen damit auseinandersetzen. Wir versuchen die weichen Faktoren zu gestalten, sprich Solidität, Robustheit, eine Modernität in der Gestaltungssprache mitzugeben, damit das Produkt im Design das transportiert, was es an inneren Werten hat.
Bei einer berbel-Haube habe ich zwei Empfänger. Den Endkunden und den Fachhändler. Ich muss zwei Ebenen überzeugen.
Ist das eine andere Designsprache?
Das hat keinen Einfluss auf die Sprache, das ist eine Frage des Fokus. Der Endkunde erwartet eine moderne, zeitgenössische Gestaltung und damit erreiche ich den Fachhändler auch, denn er ist ja auch Teil der Gesellschaft.
Es sind dann die etwas andere gelagerten Themen: wie Montagefreundlichkeit, die Sichtbarkeit und Kommunizierbarkeit von USPs. Wenn ein Produkt etwas besonders gut kann, dann ist es zielführend, wenn das Produkt das auch vermittelt. Und zwar, ohne dass der Fachhändler etwas dazu sagen muss. Das macht dann auch für ihn die Vertriebsarbeit einfacher.
Wie schätzen Sie die Zukunft der Bedienbarkeit der Geräte ein? Brauchen die Hausgeräte der Zukunft überhaupt noch Bedienknebel oder wird alles ohnehin per App gesteuert. Und wie wirken sich diese Trends auf das Design aus?
Unabhängig von der Art der Bedienung geht es für mich immer um den Bedienkomfort. Wenn ich, um einen Topf Wasser zu erhitzen, vier Bedienschritte brauche, ist das ganze einfach nur nervig. Aus Begeisterung an Technologie gibt es zu viele Lösungen im Markt, die zu komplex sind oder falsch priorisieren. Die ganzen elektronischen Produkte die uns umgeben, fördern andere Bedienkonzepte, der Anspruch bleibt aber auch hier der gleiche. Eine App Steuerung als Selbstzweck ist sinnlos.
Sie schreiben auf Ihrer Website vom „positiven Aufladen“ eines Gerätes. Was kann man sich darunter vorstellen?
Wir gestalten Produkte, die teilweise sehr konstruktionslastig entstehen. Über die Gestaltung wollen wir spezielle Attribute herausarbeiten. Im sportlichen Bereich also zum Beispiel Dynamik, oder ggf. etwas Maskulines … das ist die Form von Aufladung von Produkten. Es geht nicht darum, dass wir uns selbst verwirklichen. Unsere Designs Dienstleistung steht immer im Kontext unseres Kunden. Wir versuchen den Kunden und seine Kunden zu verstehen.
Das technische Sachverständnis wird bei Ihnen als Grundlage für das Design mehrfach erwähnt. Welchen Zugang haben Sie dazu?
Ich habe Produktdesign in Essen studiert, bin aber in einem Haushalt aufgewachsen, wo mein Vater mit meinen Brüdern und mir sehr viel gebastelt, erfunden, entworfen hat. Er war Ingenieur und wir waren stets daran, etwas zu erfinden, zu kreieren. Wollten wir Kinder einen Bumerang, Schlitten oder Surfboard, haben wir die Dinge selbst gebaut. Das hat mich technisch wahnsinnig geprägt und eine Neugierde geweckt. Heute noch gehe ich mit Begeisterung bei Kunden durch die Fertigung. Wie wird gefertigt, welche Fertigungsmöglichkeiten gibt es. Das ist für mich der Normalfall. Ich möchte hinter die Kulissen schauen. Genau das wird uns von den Kunden sehr positiv reflektiert. Wir können mit den Technikern sprechen, mit Konstrukteuren, weil wir sie verstehen, ihre Sprache sprechen, die Problematiken verstehen. Wir haben einen universellen Überblick über die verschiedenen Herstellungsverfahren, wir sind nicht die Spezialisten, aber wir verstehen die Möglichkeiten der Fertigungstechnologie und haben auch ein Bild, was das kostenmäßig bedeutet. Unterm Strich, wir sind nicht selbstverliebte Gestalter.
„Wir können mit den Technikern sprechen, mit Konstrukteuren, weil wir sie verstehen, ihre Sprache sprechen, die Problematiken verstehen.“
Welchen Einfluss haben Sie auf die Materialienauswahl und spielt hierbei auch die Herkunft der Materialien, Stichwort fair trade, eine Rolle?
Das fairtrade Thema erreicht uns kaum. Wir arbeiten mit Stahl, Aluminium. Hier zu prüfen, aus welchen Quellen das Vormaterial genau kommt, können wir nicht leisten. Bei der Material-Auswahl sind wir ein stückweit vordefiniert. Wenn wir für berbel Hauben entwerfen, dann ist das in der Regel mit Edelstahl. In den dekorativeren Bereichen, sind wir immer wach und bemüht, zeitgenössische Themen abzubilden und zu spielen. Geschmack verändert sich, Mode verändert sich.
Das heißt, die Materialauswahl ist eine gemeinsame?
Ja, genau.
Sehen Sie, wenn Sie ein Produkt designen, dieses auch gleich vor dem geistigen Auge im entsprechenden Umfeld stehen? Welchen Einfluss hat die Küche auf das Produkt?
Wir sehen das nicht nur vor dem geistigen Auge, sondern ganz real. Wenn wir einen Dunstabzug gestalten, betrachten wir diese mittels CAD in möglichst realistischen Küchenumfeldern, um die Wirkung im Raum erfahrbar zu machen. Das Produkt allein ist zu abstrakt, das benötigt bei der Präsentation vor dem Kunden viel Phantasie und die können wir nicht voraussetzen. Daher visualisieren wir diese im Umfeld.
Aber wir versuchen nicht jedes Oberflächenmatch abzubilden. Die Küchenoberflächen ist wie die Oberbekleidungsbranche. Da herrscht eine sehr schnelle, wechselnde Mode. Es kommt mir vor, als gäbe es in der Branche zwei Geschwindigkeiten: die Küchenmöbler haben sehr schnelle Wechsel in den Oberflächen und Materialien, die Gerätehersteller sind ein bisschen universeller. Die optische Halbwertszeit muss deutlich länger sein. Ein Lebenszyklus von 10-15 Jahren ist bei den technischen Geräten ja keine Seltenheit. Bei der Farb- und Oberflächenauswahl einer Dunstabzugshaube sind wir daher immer ein bisschen vorsichtiger.
Wie nachhaltig kann Design überhaupt sein? Kann man beim Entwurf eines Produktdesigns den Designlebenszyklus abschätzen, bzw. was zeichnet nachhaltiges Design aus?
Es ist unser permanentes Bemühen, Produkte zu gestalten, die eine lange Halbwertszeit haben. Es ist vorhersehbar, dass, wenn ich ein modisches Gestaltungs-Motiv wähle, ich eine künstliche Verkürzung des Lebenszyklus erhalte. Wenn ich neutraler gestalte, architektonisch, gradliniger, erreicht man längere Produktzyklen.
Bei berbel versuchen wir immer Produkte zu kreieren, die gestalterisch nachhaltig und langfristig angelegt sind. Der Kunde soll lange Spaß dran haben. Ein modisches Objekt verbraucht sich schnell und die Frustration folgt dann auf dem Fuße. Es ist tatsächlich nur die Formsprache und die Gestaltung, die das ganze Thema irgendwann aus der Zeit fallen lässt. Daher sind wir immer bemüht das ganze langfristig anzulegen. Das Modische versuchen wir weitestgehend rauszuhalten.
Welche Rolle spielt Sounddesign für das optische Design? Gerade bei Dunstabzügen ist der Geräuschpegel ja sehr relevant. Werden Sound und Optik gemeinsam entworfen und welchen Einfluss nehmen Sound und Optik aufeinander?
Das Thema Sound ist ja bei Dunstabzugshauben eigentlich immer negativ belegt…..ein Störgeräusch, das Abluftgeräusch. Daher ist es das permanente Bemühen, geräuschminimierend zu wirken. Eine technische Herausforderung, die dann aber auch wieder Einfluss auf unsere Arbeit hat. Da geht es um Strömungsgeräusche, Querschnitte etc. das ist ein permanentes Arbeiten und optimieren. Aktive Soundgestaltung – wie etwa bei den Automobilisten – haben wir kaum.
Über Stefan Ambrozus und sein Designbüro:
Stefan Ambrozus studierte Industrie Design an der Uni-Gesamthochschule in Essen. Bereits während des Studiums nahm er an verschiedenen Designwettbewerben teil – mit Erfolg: 1988 Gewinn des Staatspreises NRW, IF Award; 1989 1. Platz beim GE Designcompetiton New York; 1991 gründete er parallel zum Studium das Designbüros; Es folgten Arbeiten für Miele, Schindler, Villeroy & Boch
Mit seinen vier Mitarbeitern konzentriert er sich auf die Gestaltung und Entwicklung von Produkten mit allen Prozessschritten. Das Erfolgsrezept lautet: hohe Kreativleistung gepaart mit technologischem Sachverstand. Die wichtigsten Arbeitsgebiete sind: Küche, Licht, Public Design, Maschinenbau
Langjährige Partner: Berbel, BJB, Grass, Hera, Igus, Kesseböhmer, Runge, Rockenhausen, Wesco, Zumtobel,
Studio Ambrozus erhielt bislang ca. 60 Design Auszeichnungen: u.a. 3 Red Dot “best of the best”, 26 Red Dot Design Awards; 19 IF Design Award, Staatspreis NRW u.v.m.
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