Mehr Lebensqualität – natürlich auch im Bad
Antonio Citterio entwirft große, bedeutende Gebäude in aller Welt, ist sich aber auch für Produktdesign im kleineren Maßstab nicht zu schade. Für Keramag Design hat er die gewissermaßen zeitlose, gediegen-elegante Bad-Serie „citterio“ entworfen.
Von Harald Sager
Sie haben für Keramag Design die Bad-Serie „citterio“ entworfen und auch bereits davor auf dem Gebiet des Baddesigns gearbeitet. Hat sich Ihre Herangehensweise an das Thema weiterentwickelt?
Vor der Serie „citterio“, die erstmals 2012 vorgestellt worden ist, habe ich, beginnend mit „500“, mehrere Kollektionen für Pozzi-Ginori entworfen; danach „Axor Citterio“ für Axor sowie andere Serien. Meine Herangehensweise ist die gleiche geblieben: Wenn ich ein neues Produkt entwerfe, stelle ich es mir immer in dem Raum vor, in dem es einmal verwendet werden wird. Ich denke in erster Linie daran, wie die Menschen es nützen werden, anstatt mich auf bestimmte Produktdetails zu konzentrieren.
Was war Ihre Motivation bei „citterio“? Etwas zu entwerfen, das Sie selbst verwenden wollten, das es aber auf dem Markt noch nicht gab?
Die Grundidee von „citterio“ war, die Keramikelemente mit den sonstigen Badmöbeln, wie dem Toiletteschrank oder dem Waschbeckentisch, sinnvoll zu verknüpfen. Für mich ist es, bei dieser ebenso wie bei anderen Kollektionen, immer wichtig, Antworten auf die Komplexität zu finden, die im Badezimmer mit seinen zahlreichen interagierenden Komponenten vorherrscht. Aus meiner Sicht ist eines der vorrangigen Ziele des Produktdesigns, den Menschen, die es benützen, einen Mehrwert an Lebensqualität zu geben. Ich entwerfe gerne Dinge, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie im Alltagsleben noch „fehlen“, bzw. solche, die es bereits gibt, die aber verbessert werden können, beispielsweise, indem man technisch zwingendere Lösungen findet. Es gibt viele Möglichkeiten, Faktoren wie Qualität oder das Verhältnis zwischen Produktionskosten und Endpreis zu verbessern.
„Mit ,citterio‘ wollte ich Antworten auf die Komplexität zu finden, die im Badezimmer mit seinen zahlreichen interagierenden Komponenten vorherrscht.“ – Antonio Citterio
Wie würden Sie das Design von „citterio“ beschreiben?
Hier wie auch sonst war ich bestrebt, „zeitlose“ Produkte zu entwerfen. Ich folge keinen Trends, identifiziere mich aber mit den Prinzipien der Moderne aus authentischem, zeitlosem Design und planerischer Strenge.
Sind Sie bei „citterio“ mehr technisch bzw. materialorientiert oder mehr kreativ vorgegangen?
Grundsätzlich ist meine Herangehensweise immer produkt- statt marktorientiert. Im Industriedesign ist es wesentlich, den Stand der Technik und die technischen Seiten des Produkts in seinen Entwurf mit einzubeziehen.
Werden Sie weiterhin im Bereich des Baddesigns arbeiten? Mit Keramag Design?
Sicher möchte ich die Zusammenarbeit mit Keramag und anderen Marken der Geberit-Gruppe fortsetzen. Ich sehe die Firmen, für die ich entwerfe, mehr als Partner denn als Kunden. In der Regel arbeite ich mit Menschen zusammen, die meine Vision und meine Formensprache mittragen. Mit ihnen teile ich auch die Risiken, die mit dem jeweiligen Projekt verbunden sind.
Das Baddesign hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von Erweiterungen bzw. Metamorphosen mitgemacht. Zuerst war da die bloße Funktion, dann kam der Designfaktor hinzu, später war von der „Badkultur“ und der „Wellnessoase“ – beispielsweise durch Einbeziehung von Düften, Musik und Licht oder die Simulierung des Effekts von Regenwasser durch die Brause – die Rede; oder auch von der Verschmelzung des Bads mit anderen Wohnbereichen wie etwa dem Schlafzimmer. Wohin gehen aus Ihrer Sicht die Trends bei den Funktionen, Materialien und der Ausstattung im Baddesign?
Die Funktion des Badezimmers innerhalb des Haushalts hat sich gewandelt. Heute sehe ich es als privaten Bereich des Wohlbefindens und der Entspannung für die einzelnen Familienmitglieder. Folgerichtig geht der Trend in Richtung des Badezimmers als eines Orts des Luxus – jedoch nicht unbedingt im Sinne von kostbaren und teuren Materalien, sondern mit Blick auf die Qualität des Raums, des Lichts, von Musik usw.
Sie sind in große Architekturprojekte involviert. Wie kommt es, dass Sie sich daneben auch mit vergleichsweise kleinteiligen Themen wie dem Baddesign beschäftigen?
In unserer Profession tendieren die Leute zurzeit stark in Richtung Spezialisierung. Meine Generation war vielleicht die letzte, die sich auch noch mit Dingen außerhalb des eigenen Beckenrands beschäftigt hat.
Ob ich jetzt an einem neuen Baddesign oder, beispielsweise, an einem Hotelprojekt arbeite, meine Herangehensweise ist immer die gleiche: Ich gehe vom Kontext aus, in den sie hineingestellt werden, sowie von den Bedürfnissen und Lebensweisen der künftigen Nutzer. Diese Betrachtungsweise möchte ich als die „italienische Schule“ bezeichnen, in unserem Land gab es nämlich ursprünglich keine höhere Ausbildung für Industriedesign, sondern ausschließlich für Architektur – weshalb die großen Designer allesamt studierte Architekten sind. Ihre Vision ist grundverschieden von jener anderer Designer, denn sie wissen ganz genau, wie man ein Objekt bzw. ein Volumen in den Raum stellt.
„Wenn ich ein neues Produkt entwerfe, stelle ich mir immer den Raum vor, in dem es einmal verwendet wird, und wie die Menschen es nützen werden.“ – Antonio Citterio
ehen Sie sich selbst in erster Linie als Architekt oder als Designer?
In der italienischen Tradition gehen beide Hand in Hand. Daher ist auch mein Werdegang eine Mischung aus dem mehr konzeptuellen Ansatz des Architekten und dem mehr kreativen des Industriedesigners.
Da Sie in beidem zu Hause sind: Was machen Sie lieber?
Design ist mein Hobby! In der Architektur besteht meine Arbeit zu 50 Prozent darin, Probleme zu lösen. Design ist entspannender und macht mehr Freude.
Wie würden Sie Ihren eigenen Stil beschreiben?
Die Designer haben alle ihren eigenen Stil, ihr „Markenzeichen“. Bei mir war das nicht so einfach zu definieren, oder vielleicht wollte ich nicht auf einen Stil festgelegt werden. Mir war in erster Linie wichtig, eine Methode zu haben – weniger einen Stil. Da die Leute meine Entwürfe aber auf der Ebene des Stils, nicht auf jener der Methode interpretierten, war meine Formensprache lange Zeit hindurch nicht sehr geschätzt. Ich finde im Zweifelsfall den ganzen Prozess aus Design und Herstellung, der zum letztendlichen Ergebnis geführt hat, interessanter und aufschlussreicher als dieses.
„Aus meiner Sicht ist eines der vorrangigen Ziele des Produktdesigns, den Menschen, die es benützen, einen Mehrwert an Lebensqualität zu geben.“ – Antonio Citterio
Haben Sie in Ihrer Karriere die eine oder andere „Designikone“ geschaffen?
Damit ein Objekt zur Ikone wird, braucht es Zeit – ich schätze, mindestens 20 Jahre „Sedimentierung“ im kollektiven Gedächtnis. Mein Sofa Charles, für B&B Italia, fällt durchaus in diese Kategorie.
Zu Antonio Citterio
Der studierte Architekt Antonio Citterio beschäftigt sich weltweit mit Projekten in den Bereichen Stadtentwicklung, Errichtung von Wohn- und Bürogebäuden sowie Hotels, öffentliche Bauten, Ausstellungsräume usw. Zusätzlich ist er seit vielen Jahren im Industrie- und Möbeldesign, u.a. für Keramag Design, Axor-Hansgrohe, Sanitec Group, Iittala, B&B Italia, Flexform, Flos, Kartell, Maxalto und Vitra, aktiv.
WOHNDESIGNERS Klick-Tipps: